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Ratingen: Neue Details zu Anschlag enthüllt – DARUM liefen die Einsatzkräfte ins offene Messer

NRW-Innenminister Herbert Reul hat die neuesten Ermittlungserkenntnisse nach dem Anschlag in Ratingen geteilt. Die wichtigste Frage bleibt offen.

© IMAGO/Tim Oelbermann

Video zeigt mutmaßlichen Täter von Ratingen auf seinem Balkon

In Ratingen kam es am Donnerstag zu einer Explosion in einem Wohnhaus. Ein Amateur-Video soll den mutmaßlichen Brandstifter auf seinem Balkon zeigen.

Der Schock nach dem Anschlag auf Rettungskräfte in Ratingen sitzt noch immer tief. In einer Sondersitzung des NRW-Landtags hat Herbert Reul am Montag (22. Mai) die aktuellen Ermittlungsergebnisse vorgestellt. Dabei machte der NRW-Innenminister deutlich, wie sehr die Bilder vor Ort die Einsatzkräfte mitgenommen haben.

Sie mussten mit ansehen, wie ihre Kollegen brennend zehn Stockwerke aus dem Hochhaus auf die Straße hinunterrannten. Etwa 100 Einsatzkräfte hätten unter dem Eindruck der Geschehnisse in Ratingen psychologische Hilfe in Anspruch genommen, teilte Reul mit. Die wichtigste Frage bleibt dabei noch immer unbeantwortet.

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Ratingen:  „Es gibt darauf noch keine abschließende Antwort“

Es ist die Frage nach dem „Warum“. Warum kam es zur Explosion, als die Einsatzkräfte eigentlich nur helfen wollten? 35 Menschen zogen sich zum Teil schwerste Verbrennungen zu. Eine Polizistin, ein Polizist und ein Feuerwehrmann schweben weiterhin in Lebensgefahr, so Reul am Montag. Der Mann (57), der für all das verantwortlich sein soll, gilt als Coronaleugner und soll zur Prepperszene gehören.

Doch ob das, „handlungsleitend“ war, wisse man noch nicht. Zum Motiv gebe es „noch keine abschließende Antwort“, sagte der NRW-Innenminister. Weder Polizei noch Verfassungsschutz hätten bislang eine Verbindung zur Reichsbürgerszene oder der rechten Szene gefunden.

Warum wusste die Polizei von nichts?

Polizeibekannt war der 57-Jährige allemal. Beamte waren sogar in der Woche vor dem Anschlag vor Ort, um einen Haftbefehl gegen ihn zu vollstrecken. Doch da öffnete niemand die Tür der Hochhaus-Wohnung in Ratingen. Eine Woche später hatte der Tatverdächtige sich offenbar auf die Rückkehr der Beamten vorbereitet – und die Einsatzkräfte liefen ins offene Messer. Hätte das verhindert werden können?

Nein, sagt Herbert Reul. Der Vollstreckungsbefehl wegen einer nicht gezahlten Geldstrafe sei für die Polizei „tägliches Brot“. Der 57-Jährige hätte auch nicht zwangsläufig ins Gefängnis gemusst, hätte er seine Geldstrafe bezahlt. Und auch in der Polizeidatenbank „Inpol“ sei er nicht als Gewalttäter geführt worden. Denn seinem Haftbefehl lagen nur einfache Körperverletzungsdelikte wie Ohrfeigen zugrunde, teilte Reul mit.

Im vergangenen Jahr hatte das NRW-Innenministerium nach mehreren Amoklagen eine Früherkennung von „Personen mit Risikopotenzial“ (Periskop) eingeführt. Der tatverdächtige Ratinger sei aber weder als Intensivtäter noch als psychisch auffällig bekannt gewesen, sagte Reul. Deshalb sei der 57-Jährige auch nicht mittels „Periskop“ auf das „Radar“ der Sicherheitsbehörden gelandet. „Periskop ist super, löst aber auch nicht alle Probleme“, sagte Reul.

Befürchtung der Polizei-Gewerkschaft unbegründet

Die Gewerkschaft der Polizei hatte am Tag vor der Sondersitzung vor „parteipolitischen Ränkespielen“ gewarnt (mehr hier). Doch die Befürchtung stellte sich als unbegründet heraus. Der GdP-Landesvorsitzende Michael Mertens lobte am Montag eine „große Sachlichkeit“ der Diskussion im Landtag.


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„Nach solchen Angriffen auf unsere Einsatzkräfte kann man nicht ohne Weiteres zur Tagesordnung übergehen. Es ist unsere Pflicht, den Minister um einen Bericht zu bitten. Das sind wir den Opfern schuldig“, erklärte SPD-Fraktionsvizechefin Elisabeth Müller-Witt. „Wir müssen auch überlegen, wie wir die Mitarbeiter besser schützen und den Opfern besser helfen können.“ (mit dpa)