Der Anschlag in Ratingen hat in ganz Deutschland eine große Welle des Entsetzens ausgelöst. Am 11. Mai rückten Einsatzkräfte der Polizei und Feuerwehr zu einem vermeintlichen Routineeinsatz aus. Doch vor Ort gerieten sie in einen Hinterhalt (>>> hier mehr Infos).
Ein 57-Jähriger soll eine gerade mal 25 Jahre alte Polizistin mit Benzin übergossen und dann ein brennendes Textilstück nach ihr geworfen haben. Infolge kam es zu einer gewaltigen Explosion, bei der zahlreiche Einsatzkräfte – zum Teil lebensgefährlich – verletzt wurden. Viele der Opfer rangen über Wochen und Monate hinweg um ihre Leben.
Knapp ein halbes Jahr nach dem Unglück begann am Freitagmorgen (24. November) der Prozess in Ratingen (NRW). Und dabei wurden auch Aufnahmen der Bodycams der Einsatzkräfte gezeigt, die im Sitzungssaal für Fassungslosigkeit sorgten.
Anschlag in Ratingen: Bodycam-Aufnahmen geben hautnahe Einblicke
Versuchter Mord in neun Fällen, schwere Körperverletzung besonders schwere Brandstiftung – die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft gegen den 57-jährigen Frank P. wiegen schwer. Als der grauhaarige Mann in seinem blau-lila Sweatshirt und gleichfarbiger Hose am Freitagmorgen den Sitzungssaal des Landgerichts Düsseldorf betrat, war die Spannung greifbar. Alle schauten gebannt auf den Mann, der über 30 Einsatzkräfte am 11. Mai in die Falle gelockt und ihren „Mord in Kauf“ genommen hatte, wie Staatsanwältin Laura Neumann mit der Anklageschrift offenbart.
Die Hausverwaltung hatte am besagten Tag im Mai 2023 die Polizei alarmiert, da sie die Mutter und ihren 57-jähirgen Sohn längere Zeit nicht mehr gesehen hatten. Außerdem sei ihr Briefkasten bereits übergequollen, das Auto stand siegellos seit längerer Zeit scheinbar unbewegt auf dem hauseigenen Stellplatz. Als die Einsatzkräfte sich gewaltsam Zutritt zur Wohnung verschafften, geriet die Lage außer Kontrolle und endete in einer gewaltigen Explosion. Die Wohnung sei noch heute unbewohnbar.
Die Aufnahmen von der Rauchwolke über Ratingen machten in ganz Deutschland die Runde. Selbst Videos, in denen die Explosion zu hören war, waren kurz nach dem Unglück im Umlauf. Doch am Freitag sollten im Sitzungssaal des Düsseldorfer Landgerichts auch erstmals die Bodycam-Aufnahmen der beiden lebensgefährlich verletzten Polizisten gezeigt werden. Und spätestens zu diesem Zeitpunkt wurde auch jedem Anwesenden das erschreckende Ausmaß des Einsatzes in Ratingen klar.
Reaktion des Tatverdächtigen überrascht
Glaubte man am Freitagmorgen, dass die Spannung ihren Höhepunkt im Sitzungssaal erreicht hatte, sobald der Angeklagte den Sitzungssaal betrat, so lag man gänzlich falsch. Denn erst die Videoaufnahmen der Bodycams bewegten die Gemüter der Anwesenden. „Boah“ und „krass“ war aus dem abgetrennten Zuschauerbereich zu vernehmen. Auch einer der Polizeibeamten, der am 11. Mai zusammen mit seiner 25-jährigen Kollegin die Wohnung im zehnstöckigen Mehrfamilienhaus stürmte, war am Freitag anwesend und machte seine Zeugenaussage. Er sah die Aufnahmen zum ersten Mal und schaute gebannt auf den Bildschirm.
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Immer wieder wird der schicksalhafte Moment, als seine Kollegin vom Benzin übergossen und der brennende Stofffetzen flog, in verlangsamten Geschwindigkeiten abgespielt. Eine der Nebenklägerinnen konnte den Anblick kaum ertragen, hielt den Blick abgewendet, Tränen glänzten in ihren Augen. Und der Angeklagte? Er hielt wie auch der mittlerweile 30-jährige Polizeibeamte, der von dem Einsatz Verbrennungen lebensgefährliche Verletzungen davon trug und mit Brandnarben schwerster Verbrennungen zweiten und dritten Grades gezeichnet bleibt, den Blick auf den Bildschirm gerichtet. Dabei wirkt er teilnahmslos, fast so, als würde er eine Sendung im Fernsehen verfolgen. Als die Aufnahme endet, lässt er den Blick durch die Menge schweifen. Blickkontakt mit dem Kläger vermeidet er. Doch auch sein Grinsen soll die Zuschauerschaft zu Gesicht bekommen. Denn als sein Verteidiger ihn an diesem Tag erstmals bewusst anspricht, gleitet ihm ein Grinsen über die Lippen, das einem das Blut in den Adern gefrieren lässt.
Doch einen weiteren Blick hinter seine Fassade gewährte Frank P. bis dato noch nicht. Bislang hat der 57-jährige Ratinger sein Schweigen auch im Sitzungssaal noch nicht gebrochen. Ob die Anwesenden sein mutmaßliches Motiv für die abscheuliche Tat erfahren werden, bleibt ungewiss. Dass er voll schuldfähig ist, darin sind sich die Vertreter der Opfer und die Staatsanwältin allerdings einig.