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Vier-Tage-Woche: Warum stellt Deutschland sich derart quer? Andere Länder sollten ein Vorbild sein – ein Kommentar

Die Forderungen nach einer Vier-Tage-Woche werden immer lauter. Doch bei einer Arbeitszeitverkürzung stellt sich Deutschland quer. Das ist falsch.

Die Forderungen nach einer Vier-Tage-Woche werden immer lauter. Doch bei einer Arbeitszeitverkürzung stellt sich Deutschland quer. Das ist falsch.
© IMAGO/Westend61

Vier-Tage-Woche: Diese positiven Effekte hat die reduzierte Arbeitszeit laut Studien

Der Traum von der Vier-Tage-Woche wird für immer mehr Menschen zur Realität. Wiederholt zeigen Studien die positiven Effekte des Modells.

Weniger Tage arbeiten, mehr Zeit für Familie, Freunde und Hobbys – klingt verlockend, oder? Neue Arbeitszeitmodelle werden derzeit diskutiert – das Für und Wider einer Vier-Tage-Woche wird abgewogen.

Oft kursiert der Vorwurf, solche Vorschläge würden nur von denjenigen vorgetragen, die faul sind und keine Lust auf Arbeit haben. Vor allem die Einstellung jüngerer Menschen aus der Generation Z wird immer wieder kritisiert. So auch vom ehemaligen Innenminister, Thomas de Maizière. „Die Anspruchshaltung vieler in dieser Generation Z geht mir gegen den Strich. Mich ärgert, dass sie zu viel an sich denken und zu wenig an die Gesellschaft“, meckert de Maizière im Interview mit der „Zeit“. Doch das kann man auch anders sehen.

40-Stunden-Woche seit fast 70 Jahren

Acht Stunden am Tag, Fünf Tage die Woche, 40 Stunden gesamt – dieses Modell wurde in Deutschland zum ersten Mal 1955 eingeführt. Seitdem arbeiten die meisten Beschäftigten mit dieser Einteilung. Jedoch stammt das aus einer Zeit, in der ganz anders gearbeitet wurde, als wir es heute tun.

Damals passte das vor allem zur Schichtarbeit in Produktionen, zu Arbeiten im industriellen Sektor. Heute allerdings arbeitet ein Großteil im tertiären Sektor, Wissensarbeit und Dienstleistungen werden also immer wichtiger. Tätigkeiten und Möglichkeiten der Effektivität haben sich also geändert, die Arbeitszeit allerdings blieb dieselbe.

Auch aufgrund langer Arbeitswege und der Mittagspause im Arbeitsumfeld geht die Rechnung ‚acht Stunden Arbeit, acht Stunden Freizeit, acht Stunden Schlaf‘ nicht immer auf. Auch weil viele Arbeitnehmer Überstunden machen. Und das kann auf Dauer nicht gesund sein. Zu dieser Erkenntnis gelangten Wissenschaftler bereits 2011. Die Forschenden der spanischen Aragon Institute of Health Sciences analysierten, dass das Risiko, an Burnout zu erkranken, bei einer 40-Stunden-Woche sechsmal so hoch ist wie bei 35 Stunden.

Vier-Tage-Woche birgt positive Effekte

Doch es geht auch anders: In Großbritannien haben 61 Unternehmen die Vier-Tage-Woche ein halbes Jahr lang getestet, und das häufig bei vollem Lohnausgleich. 56 Firmen wollen den Traum vom langen Wochenende fortführen. Der Grund: Die Arbeitnehmer waren weniger gestresst, zufriedener und gesünder. Außerdem gingen die Fehltage zurück, die Produktivität konnte sogar gesteigert werden.

Und das scheint gerade in Deutschland eine große Sorge zu sein. Möglichst viele Stunden gleich möglichst hohe Produktivität – doch diese Rechnung geht nicht auf. Das bestätigt auch die Psychologin Virgilia Jansen-Preilowski. Sie fand heraus, dass bei einer Arbeitszeitverkürzung auf bis 30 Stunden die Produktivität in den meisten Unternehmen sogar gesteigert werden konnte. Denn: Deadlines helfen Menschen dabei, Dinge zu erledigen. Und: Arbeitnehmer haben so mehr Zeit für Hobbys und Entspannung – das wiederum motiviert auf der Arbeit zusätzlich.

Andere machen es vor

Drei von vier deutschen Arbeitnehmern begrüßen die Einführung einer Vier-Tage-Woche, wie eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der HDI-Versicherung ergab.

Dieses Bild wird von Studien aus der ganzen Welt unterstützt. Neuseeländische Forscher zweier Universitäten in Auckland stellten positive Effekte des neuen Arbeitszeitmodells fest: Das Mitarbeiterengagement ist gestärkt, so auch die Work-Life-Balance. In Island ist bei einer reduzierten Wochenarbeitszeit die Produktivität und das Wohlbefinden gestiegen. Arbeitnehmer fühlten sich weniger gestresst und anfälliger für ein Burnout.


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Seit zwei Jahren gibt es dort nun ein Recht auf eine 35-Stunden-Woche bei vollem Lohn. Auch in Belgien gibt es die Möglichkeit, vier statt fünf Tage die Woche zu arbeiten. Schweden hat das Arbeitszeitmodell bereits 2015 getestet, Schottland und Wales 2021, in Spanien laufen aktuell Pilotprojekte, in denen die Wochenarbeitszeit auf 32 Stunden reduziert wird.

Hierzulande sind Testphasen eher die Seltenheit. Warum hinkt Deutschland also immer hinterher? Andere Länder machen es doch schon längst vor. Wovor hat die deutsche Politik solch große Angst? Vor glücklicheren und motivierten Arbeitnehmern etwa? Es ist eine Win-Win-Situation für alle.