Der Anschlag in Solingen macht noch immer fassungslos. Am späten Freitagabend (23. August) sterben drei Menschen bei einem Messerangriff, acht weitere werden teils schwer verletzt. Über 24 Stunden fahndet die Polizei mit einem Großaufgebot nach dem potenziellen Täter, am Samstagabend (24. August) erfolgt die Festnahme des Tatverdächtigen. Jetzt warnt Terror-Experte Peter Neumann vor einer neuen Dimension der dschihadistischen Gewalt.
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Seitens der Ermittler heißt es, dass der Angreifer zielgerichtet vorgegangen sei und auf Hals und Oberkörperbereiche der Opfer eingestochen habe. Bei dem mutmaßlichen Attentäter handelt es sich um den Syrer Issa al H., der 26-Jährige soll sich am Samstagabend – ebenfalls in Solingen – einer Polizeistreife gestellt haben.
Solingen: Dschihadisten-Anschläge haben sich vervierfacht
Unmittelbar nach der Tat in Solingen verdichteten sich die Anzeichen, dass es sich um einen Terroranschlag gehandelt haben könnte. Bereits am Samstag hat der „Islamische Staat“ den Anschlag für sich reklamiert. Inzwischen hat die Terrormiliz ein weiteres Video geteilt, welches zeigen soll, wie der mutmaßliche Täter dem IS die Treue schwört.
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Die Zunahme jener Radikalisierung ist laut vieler Experten eine akute Gefahr, so auch für Peter Neumann. „Das hat in den letzten elf Monaten ganz deutlich zugenommen. Wir hatten in den letzten elf Monaten 21 versuchte Anschläge und sechs, jetzt mit Solingen sieben, durchgeführte Anschläge von Dschihadisten in Westeuropa. Das ist eine Vervierfachung im Vergleich zu 2022„, so der Terrorismus-Experte vom Londoner King’s College in der ARD-Sendung Brennpunkt.
„Das Volumen der dschihadistischen Aktivität hat deutlich zugenommen. Viele davon radikalisieren sich im Internet. Viele davon sind sehr jung, jünger als der Attentäter in Solingen. Das hat schon eine neue Dynamik und eine neue Qualität und deswegen sage ich, wir müssen das ganz dringend priorisieren. Ich habe das Gefühl, da rollt möglicherweise eine neue Welle auf uns zu.“
Terrorismus-Experte Peter Neumann
Die Einführung von Waffenverbotszonen, welche viele als hilflose „Symbolpolitik“ kritisieren, hält auch der Experte für wenig effektiv. Sie seien allerhöchstens ein Teil der Lösung, denn die Anschlagsplanung geschehe in den Köpfen. „Die einzige Chance, die wir haben, ist, dass wir in diese Köpfe reinkommen. Die gute Nachricht ist, dass Attentäter häufig vor dem Attentat bereits über ihre Tat sprechen. Da kann man Dinge bemerken. Sehr wenige Attentäter radikalisieren sich über Nacht oder binnen weniger Tage.“
Daher fordert Neumann, dass die Regierung mehr Ressourcen in die Prävention investiert sowie die Polizei und die Nachrichtendienste stärkt. Es müssten vermehrt „virtuelle Agenten“ eingesetzt werden, welche digitale Kanäle wie Telegram infiltrieren und so virtuelle Zellen ausheben können.