Die Bedrohung durch Putin – besonders in den baltischen Staaten Lettland, Litauen und Estland und Polen wird sie besonders ernstgenommen. Ministerpräsident Donald Tusk wird nicht müde, immer wieder zu warnen, dass die Polen „in Vorkriegszeiten“ leben.
+++ Auch spannend: Pistorius schlägt Kriegs-Alarm: „Putin baut seine Streitkräfte dramatisch auf“ +++
Polen teilt sich eine lange Grenze mit Belarus und auch die russische Exklave Kaliningrad liegt direkt neben dem Land. Die polnische Politik reagiert darauf – massiv, entschlossen und, anders als sonst, über die Parteigrenzen geeint. Das Ziel ist klar: Man will zu wehrhaft und zu stark werden, als dass Russland es wagt, aus Polen eine Ukraine 2.0 zu machen. Mit enormen Investitionen soll Putin abgeschreckt werden.
Zeitenwende XXL in Polen: Militär wird im „Turbogang“ vergrößert
Das Land will aus seinen schmerzhaften Erfahrungen mit Hitler und Stalin im 20. Jahrhundert und der russischen Invasion in der Ukraine 2022 lernen. Prägend ist auch, dass schon das russische Zarenreich daran beteiligt war, dass Polen als aufgeteiltes Land 123 Jahre von der europäischen Landkarte verschwand. Nun wird Putin als neue Gefahr für die Nation wahrgenommen.
Es ist eine extreme Version von Zeitenwende, die Polen jetzt vornimmt:
- Bis 2025 sollen die Ausgaben für Verteidigung auf fast fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukt steigen! Zum Vergleich: Die Berliner Ampel-Regierung hat in diesem Jahr mit Mühe das Zwei-Prozent-Ziel der NATO erreicht.
- Im „Turbogang“, so berichtete es die ARD, rüstet Polen die eigene Armee auf. Binnen vier Jahre wurde die Größe der Streitkräfte auf nun über 200.000 aktive Soldaten verdoppelt (Bundeswehr: rund 180.000).
- Polen hat damit die drittgrößte Armee der NATO, nach den USA und der Türkei – und sie soll perspektivisch sogar auf 300.000 Soldaten wachsen.
Bedrohung durch Putin: Ost-Schild soll abschrecken
Daneben will Polen bis 2028 einen einsatzfähigen Schutzschild Ost aufbauen. Das Land will etwa 700 Kilometer Landesgrenze nach Osten, darunter rund 400 Kilometer zu Belarus, und über 200 Kilometer zur Exklave Kaliningrad absichern. „Ein militärisches Mega-Projekt“, so Mark Reicher. Der Experte für internationale Politik analysiert die Militär-Anstrengungen der Polen gegen Putin für seinen erfolgreichen YouTube-Kanal „VisualPolitik DE“.
Warschau will rund 2,3 Milliarden Euro für das Bollwerk ausgeben. Der Ost-Schild soll vor allem Drohnen und russische Panzer abwehren, aber auch Migranten-Ströme, „die von Belarus und Russland als Waffe der hybriden Kriegsführung eingesetzt werden“, ordnet Reicher ein. Auch die baltischen Staaten planen ähnliche Grenzsicherungen.
Die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung geht in ihrem aktuellen Länderbericht Polen auf das Projekt ein. Dort heißt es: „Dieses ambitionierte Vorhaben wurde am 27. Mai 2024 durch Verteidigungsminister Władysław Kosiniak-Kamysz vorgestellt und umfasst den Bau physischer Barrieren wie Panzergräben und Betonhindernisse sowie die Integration moderner elektronischer Ausrüstung, einschließlich Drohnen- und Anti-Drohnen-Systemen. Zusätzlich sollen Frühwarn- und Aufklärungssysteme sowie Basen und Logistikknotenpunkte errichtet werden.“
Die Verteidigungslinie soll das Eindringen russischer Truppen auf polnisches Gebiet mindestens verlangsamen.
„Das Ziel ist nicht nur, einen Angriff zu blockieren, sondern auch die Mobilität und die Logistik des Feindes so weit zu verlangsamen und zu ersticken, dass die polnischen und NATO-Kräfte in ausreichender Zahl anrücken können, um den Angreifer zu vernichten.“
Mark Reicher von VisualPolitik DE
Polen will keine Ukraine 2.0 werden – massive Rüstung gegen das Putin-Russland
Doch beim Ost-Schild enden die Rüstungsvorhaben der Polen gegen das Putin-Regime noch lange nicht. „Im Grunde genommen besteht die polnische Strategie darin, im Voraus schon alles zu kaufen, was die Ukraine von Anfang an gebraucht hätte, um die russische Invasion abzuwehren“, ordnet Reicher ein.
Mehr Themen für dich:
Das Land kauft vor allem in den USA, aber auch in Südkorea ein. Ein erstes Zwischenergebnis konnte ARD-Korrespondent Martin Adam bei einer Militärparade in Warschau zum „Tag der polnischen Armee“ im August beobachten.
„Kampfjets und ‚Apache‘-Hubschrauber fliegen über die Menge, ‚Leopard‘-, ‚Abrams‘- und neu angeschaffte koreanische ‚K2‘-Panzer rollen die Straße entlang, frisch eingekaufte HIMARS-Raketenwerfer, Panzerhaubitzen – alles, was das polnische Militär zu bieten hat. Kein anderes NATO-Land investiert im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung so viel in die Verteidigung wie Polen. Und es soll mehr werden.“
ARD-Korrespondent Martin Adam auf tagesschau.de
Wird Polen neue Großmacht in der EU?
So kommt auch die Konrad-Adenauer-Stiftung zum Urteil, dass Polen als potenzieller Frontstaat gegen Putin ein „starker Sicherheitsgarant an der NATO-Ostflanke“ wird.
+++ Lesenswert: Putin wie die Raupe Nimmersatt: Kreml erhöht Ausgaben für Angriffskrieg +++
Werde es Polen tatsächlich gelingen, die modernste Landstreitkraft Europas aufzubauen, „könnten sich aus dieser Handlungsfähigkeit mittelfristig neue Rollen für Warschau ergeben“, heißt es in der Länderstudie der Stiftung. Denn historisch sei „ein Zuwachs an militärischer Hardpower immer auch mit politischem Einfluss verbunden“.