Aktuell verdienen Arbeitnehmer mit Mindestlohn 12 Euro pro Stunde. Doch das soll sich wohl bald ändern. Nach Vorschlag der Mindestlohnkommission soll er zum 1. Januar 2023 auf 12,41 steigen, ein Jahr später dann nochmal um 41 Cent auf 12,82 Euro pro Arbeitsstunde.
Doch für viele ist das zu wenig. Der ehemalige Verdi-Chef und heutige arbeitsmarktpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Frank Bsirske, kritisiert die vorgeschlagene Erhöhung aufs Schärfste. Und auch Sozialverbände forderten beispielsweise eine Erhöhung auf 14 Euro. SPD-Chef Lars Klingbeil schließt sich dieser Meinung an.
Mindestlohnerhöhung: Geht da noch mehr?
Er werde sich weiter für „angemessene Löhne“ einsetzen, sagte Klingbeil am Montag (3. Juli) in Berlin. Die nun geplante Anhebung der Lohnuntergrenze um 41 Cent sei nicht ausreichend.
Klingbeil brachte am Wochenende eine zusätzliche Mindestlohnerhöhung im kommenden Jahr ins Gespräch. „Wir werden dafür sorgen, dass Deutschland die Europäische Mindestlohnrichtlinie im nächsten Jahr umsetzt. Darauf wird die SPD in der Bundesregierung drängen“, sagte der SPDler der „Bild am Sonntag“. Und weiter: „Bei einer vollständigen Umsetzung wären das laut Experten zwischen 13,50 und 14 Euro“.
Mindestlohn: „Höchst problematisch“
Klingbeil wolle aber nicht „Verfahren der Mindestlohnkommission in Frage stellen“. Eine politische Debatte sei aber nötig, forderte er. Im letzten Jahr wurde der Mindestlohn entgegen des Kommissions-Vorschlags auf 12 Euro politisch festgesetzt. Dieser Eingriff galt allerdings als Ausnahme.
Aber: Es stelle sich die Frage, ob man in Deutschland umsetzen wolle, was man auf europäischer Ebene in Gang gebracht habe. „Da bin ich dafür, dass wir das tun“, betonte Klingbeil. Kritik zu seinen Aussagen folgt prompt vom Koalitionspartner. Vorschläge dieser Art seien „höchst problematisch für den Wirtschaftsstandort Deutschland“, betonte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai. Es wäre aus seiner Sicht auch „ein großer Fehler, wenn die Politik sich in die Festlegung der Löhne einmischen würde.“
Mindestlohn: Kritik kommt von vielen Seiten
Auch Vize-Fraktionschef Lukas Köhler machte klar, dass die FDP nicht noch einmal daran mitwirke, den Mindestlohn an der Kommission vorbei zu erhöhen. „Eine weitere Aushöhlung der Tarifautonomie ist mit der FDP nicht zu machen“, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Auch die Arbeitgeber haben vor weiteren außerplanmäßigen Mindestlohnerhöhungen gewarnt. „Die europäische Mindestlöhne-Richtlinie darf nun nicht als Vorwand genutzt werden, um erneut politisch in die Mindestlohnfestsetzung einzugreifen“, heißt es in einem am Mittwoch (5. Juli) veröffentlichten Positionspapier der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA).
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In der EU-Richtlinie ist die Rede von einem 60-Prozent-Kriterium. Der Mindestlohn müsse demnach 60 Prozent des nationalen Bruttomedianlohns betragen. Allerdings sei das ein möglicher und nicht zwingender Bewertungsmaßstab.
Nach Klingbeil müsse dieses EU-Recht bis Herbst 2024 in nationales Recht umgesetzt werden. Gregor Thüsing, Direktor des Instituts für Arbeitsrecht und Recht der sozialen Sicherheit der Universität Bonn, sieht das anders: „Die Mindestlohnrichtlinie verlangt keinen bestimmten Mindestlohn“, betont er auf Anfrage der „FAZ“. Es möge vielleicht „gute soziale oder auch nur parteipolitische Gründe für einen höheren Mindestlohn geben – rechtliche Gründe gibt es sicherlich nicht“, erläuterte der Rechtswissenschaftler.