Die Aktivistengruppe „Letzte Generation“ polarisiert häufig durch ihre Protestaktionen. Nicht nur im Netz stoßen sie dabei auf Gegenwind. Bei Straßenblockaden erleben sie die Wut der Menschen, die die festgeklebten Aktivisten an die Straßenränder zerren.
Die Aktivistin Lina Eichler, 20 Jahre alt und aus der Nähe von Dortmund, ist Mitglied bei „Letzte Generation“. Sie sprach mit unserer Redaktion über die umstrittenen Protestformen und Hass, der ihnen in Sozialen Medien und auf den Straßen begegnet. Auch klärt sie die Frage, ob die Protestierenden den Frust der Autofahrer verstehen.
„Letzte Generation“: Aktivistin versteht den Frust der Autofahrer
Zu Ihren Protesten gehören die umstrittenen Straßenblockaden. Gibt es in der „Letzten Generation“ Aktivisten, die selbst einen Führerschein haben und Autos fahren?
„Natürlich gibt es bei der ‚Letzten Generation‘ Leute, die einen Führerschein haben und Autos fahren. Bei unserer Protestform geht es schließlich nicht darum, dass wir gegen das Autofahren sind. Wir haben aber gemerkt, dass Petitionen und Demos in den Innenstädten keinen mehr interessieren. Deswegen müssen wir an die Orte gehen, an denen wir die Aufmerksamkeit auf die Thematik lenken können.“
Haben Sie denn Verständnis für Autofahrer, wenn diese im Verkehr durch die Protestaktionen aufgehalten werden?
„Ich habe totales Verständnis dafür, dass Menschen im Stau durch uns genervt sind. Ich habe selbst keinen Spaß daran, Stau zu verursachen und Menschen aufzuhalten. Doch das ist noch immer das effektivste Mittel, um auf die Klimakatastrophe aufmerksam zu machen.“
In den letzten Tagen musste der Klima- und Umweltschutzbewegung viel einstecken. Der Volksentscheid für ein klimaneutrales Berlin bis 2030 ist gescheitert und für viele sind die jüngsten Klimaschutz-Kompromisse der Ampel-Regierung nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Wie sehen Sie das?
Lina Eichler: „Es ist total frustrierend, dass es mit dem Volksentscheid nicht geklappt hat. Aber das ist kein Grund, dass wir den Kopf in den Sand stecken. Wenn die Regierung ihre Verantwortung weiterhin nicht wahrnehmen möchte, ist das erst recht ein Grund, weiterzumachen mit den Protesten.“
Warum fokussieren Sie die Proteste nicht auf die Regierung, statt auf die Bürgerinnen und Bürger?
„Es ist nicht so, als hätten wir das nicht schon versucht. Ich habe schon oft vor den Regierungsgebäuden gestanden, unter anderem auch in Düsseldorf vor dem Innenministerium. Trotzdem gab es keine Reaktion von den Politikerinnen und Politikern. Was uns aber auf die Agenda bringt, sind die Straßenblockaden. Wir haben uns darum für eine Kombination aus Straßenblockaden und Protesten vor politischen Gebäuden entschieden.“
Viele waren aber durch diese Protestaktionen abgeschreckt – verfehlen Sie da nicht das Ziel?
„Menschen können gegen die Protestformen sein, die wir anwenden. Aber sie sollten trotzdem nicht dagegen sein, dass wir etwas gegen die Klimakatastrophe tun.“
In Hamburg gab es den Vorfall, dass einem Protestierenden von einem Lkw-Fahrer in den Bauch getreten wurde. Ist so etwas für Sie beängstigend oder abschreckend?
„Das ist schon sehr beängstigend, wenn Leute auf der Straße solche Gewalt erfahren. Das sind meine Freundinnen und Freunde, die auf der Straße verprügelt wurden. Auch mir selbst hat jemand bei einer Straßenblockade ins Gesicht geschlagen. Aber ich bin noch jung und möchte gerne noch etwas von meinen Leben haben. Darum ist es für mich trotzdem klar, dass ich auf die Straße gehe.“
Auch auf den Social Media-Kanälen erlebt die „Letzte Generation“ viel Hass und Abwertung in den Kommentaren. Wie gehen Sie damit um?
„Hass ist natürlich nicht schön. Leute, die uns hassen, hinterlassen auch öfter einen Kommentar als Leute, die uns gut finden. Trotzdem werden wir bei der ‚Letzten Generation‘ immer mehr Menschen.“
Es gab in letzter Zeit Gerüchte um eine „Letzte Generation“-Partei. Im Bundestag gibt es bereits die Grünen. Warum bräuchte es abseits davon eine andere Partei?
„Die ‚Letzte Generation‘ hatte nie vor, eine Partei zu gründen. Auch wenn die Regierungsparteien gerade versagen, um gegen die Klimakatastrophe vorzugehen. Das war nur eine Überlegung, wie wir Spenden empfangen können.“
Wofür braucht ihr denn mehr Spenden?
„Es kostet Geld, um auf die Straße zu gehen: Sekundenkleber, Plakate und Vorträge. Auf allen möglichen Plattformen sammeln wir dafür bereits Spenden. Auch für die Anreise zu den Protesten in den Städten brauchen wir Geld. Trotzdem gibt es noch immer unsere Idee vom Gesellschaftsrat. Darin soll besprochen werden, wie und wo wir gesellschaftlich gerade stehen. Die Teilnehmenden sollen aus der Gesellschaft gelost werden, zusammen kommen und überlegen, wie wir überleben können.“
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Woher nehmen Sie die Gewissheit, dass ein Gesellschaftsrat mehr für den Klimaschutz beschließen würde?
„Wenn wir Menschen an einen Tisch setzen, wollen diese ja auch eine Zukunft haben. Letzten Endes stellt sich die Frage: Wollen wir überleben oder nicht?“