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Bundestag: Alle CSU-Politiker könnten rausfliegen – „Optimismus ist unterbelichtet“

Die Ampel plant eine neue Wahlrechtsreform. Vor allem für die CSU könnte das gefährlich werden. Ein Politikwissenschaftler klärt auf.

Die Ampel plant eine neue Wahlrechtsreform. Vor allem für die CSU könnte das gefährlich werden.
© IMAGO / Metodi Popow

Deshalb ist der Bundestag so groß wie nie zuvor

Momentan ist noch unklar, wer Kanzler wird. Doch eines steht fest: Der Bundestag wird so groß wie nie! Das ist der Grund dafür.

Der Deutsche Bundestag ist aktuell so groß wie nie zuvor, zählt 736 Abgeordnete – und das, obwohl die gesetzlich vorgesehene Regelgröße bei 598 Mitgliedern liegt. Der deutsche Bundestag ist in den letzten Jahren zu einem der größten Parlamente weltweit gewachsen.

Die Ampel-Koalition will das durch eine neue Wahlrechtsreform ändern. Durch die „Zweitstimmendeckung“ wären die Parteien an eine deutschlandweite 5-Prozent-Hürde gebunden. Doch das könnte vor allem für die CSU zur Gefahr werden. Politikwissenschaftler Heinrich Oberreuter klärt im Interview mit dieser Redaktion über die möglichen Folgen auf.

Bundestag: Reform könnte für CSU gefährlich werden

Laut Gesetzentwurf sieht die Zweitstimmendeckung vor, dass alle Erstimmen durch das Zweitstimmenergebnis gedeckt sein müssen. Scheitert eine Partei also bundesweit an der 5-Prozent-Hürde, würde sie auch keine Direktmandate erhalten.

Die CSU gewann bei der letzten Bundestagswahl 2021 fast alle Direktmandate in Bayern, 45 CSU-Politiker zogen als Abgeordnete in den Bundestag ein. Bislang konnte die CSU sich immer einen Platz im Parlament sichern, doch mit der neuen Wahlrechtsreform sieht das anders aus.

„Damit kann sie alle 45 Wahlkreise gewinnen, hat aber keinen einzigen Abgeordneten im Bundestag sitzen“, erklärt Heinrich Oberreuter. Aufgrund der neuen Regel, würde keiner mehr in den Bundestag einziehen. „Das ist ein Witz schlechthin, ein Bärendienst an einem bürgernahen Demokratiebewusstsein“, mahnt der stellvertretende Vorsitzende der Deutschen Vereinigung für Parlamentsfragen.

Die alte Regelung ist laut Oberreuter aber auch schon „Schwachsinn“. Wenn die Ampel etwas verändern wolle, dann solle sie ein „reines Verhältniswahlsystem einführen, und damit die Wahlkreise auflösen“. Dann läge es in der Hand der Parteien bei der Aufstellung ihrer Listen dafür zur sorgen, dass die Regionen anständig im parlamentarischen Gefüge vertreten sind. Oder: Man vergebe einen Teil der Stimmen über das Verhältniswahlrecht und einen anderen Teil über Wahlkreismandate. „Das würde einige Probleme lösen“.

Bundestag: Fusioniert CSU und CDU?

Bislang konnte die CSU zwar bei allen Bundestagswahlen über fünf Prozent erreichen, bei der letzten jedoch nur knapp. 2021 hat die CSU in Bayern 31,7 Prozent der Stimmen bekommen, das entspricht bundesweit 5,2 Prozent. „Verlieren sie nochmal 0,2 Prozent, was ich bei der generellen Entwicklung des Parteiengefüges und des Parteiensystems für nicht ausgeschlossen halte, dann ist die Gefahr nicht von der Hand zu weisen, dass sie unter die fünf Prozent fällt“, betont Oberreuter.

Die CSU würde so komplett aus dem Parlament fliegen, kein einziger CSU-Abgeordneter wäre im Bundestag vertreten. „Den Optimismus der CSU, dass sie nicht unter das Wahlergebnis der Bundestagswahl von 2021 fallen könnte, halte ich für ziemlich unterbelichtet“, so Oberreuter.

Während der Verhandlungen sei es von der Union kurzsichtig gewesen, die Grundmandatsklausel in Frage zu stellen, die CSU habe man dabei nicht bedacht, mahnt der Politikwissenschaftler. Falls die neue Wahlrechtsreform kommt, gebe es eine Alternative: „Wenn die CSU ihre Existenz unter den künftig gegebenen Voraussetzungen im Parlament sichern will, müsste sie bei der nächsten Bundestagswahl gemeinsam mit der CDU antreten“.

Doch eine Fusion von CSU und CDU erziele Verluste in der Eigenständigkeit, und: „Das wäre für das Selbstverständnis der CSU und ihre Attraktivität als Regional-Partei sozusagen ein Todesgruß“.

Bundestag: Kritik von Markus Söder „Attacke auf Demokratie“

CSU-Chef Markus Söder reagiert mit deutlicher Kritik: „Würde das passieren, dann würden auch 30 Direktmandate oder mehr keine Rolle spielen“, sagte er. Söder kritisierte den Ampel-Plan zur Wahlrechtsreform als „Attacke auf die Demokratie“.

Auch Oberreuter sagt im Gespräch mit dieser Redaktion: „Dass man Wahlkreise, auch alle in einem Bundesland, gewinnen kann, und keines im Bundestag vertreten ist, ist natürlich eine Attacke auf ein adäquates Demokratieverständnis“. Das müsse man den Bürgern erst einmal erklären, dass diese entschieden hätten, ihre Stimmen aber nichts zählen. „Insofern kann man Markus Söder durchaus Recht geben“, meint der Politikwissenschaftler.


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Söder droht deshalb mit einer Verfassungsklage. „Inwieweit das verfassungsrechtlich haltbar ist, müsste dann Karlsruhe entscheiden“. Es gebe aber bereits eine Karlsruher Aussage über die „Unverletzlichkeit von Wahlkreismandaten“, dann könne man durchaus damit rechnen, dass die Klage Recht bekommen könnte, so Oberreuter.