Lützerath, ein Dorf mit gerade einmal acht Einwohnern, wird zur Symbolfigur der aktuellen Klimakrise. Klimaaktivisten wollen das Dorf in Nordrhein-Westfalen vor dem Abriss bewahren – dieses soll aufgrund der Kohleförderung weichen.
Auf dem Bundesparteitag der Grünen Mitte Oktober (14.-16. Oktober) haben die Delegierten knapp für den von Wirtschaftsminister Robert Habeck vorgeschlagenen Kohle-Deal gestimmt. Das Ergebnis: längerer Betrieb zweier rheinischer Kohlekraftwerke, Abbaggerung von Lützerath und der vorgezogene Kohleausstieg auf 2030.
Gegen diese Vereinbarung mit RWE hatten mehrere Klimaorganisationen vor dem Parteitag in Bonn demonstriert. Ein enger Vertrauter Baerbocks wechselt nun die Seiten hin zum Energieversorgungskonzern.
Erst grün, dann RWE
Wie die „Welt“ berichtet, wird der frühere Büroleiter von Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne), Titus Rebhann, Cheflobbyist bei RWE. Bis zum Regierungswechsel war Rebhann Leiter des Bundestagsbüro von Baerbock, zuletzt arbeitete er im Ministerbüro im Auswärtigen Amt. Zum 1. März 2023 soll Rebhann die Leitung der Berliner Konzernrepräsentanz übernehmen.
Das Auswärtige Amt versicherte, wie „Welt“ weiter berichtet, dass Rebhann dort „keine beruflichen Kontakte“ mit RWE gehabt und an „keinerlei Vorhaben mit direktem Bezug zu RWE mitgewirkt“ habe. Seit Mitte Oktober sei er freigestellt und habe sich auf die im August ausgeschriebene Stelle bei RWE selbst beworben. Zur „Transformation“ des Unternehmens soll er beitragen.
Kritik von Umweltorganisation
Der Energiekonzern gilt unter Klimaaktivisten oft als Reizthema und ruft nicht selten Empörung hervor. Fridays for Future teilt auf Twitter mit:
Bundestagsmitglied Clara Anne Bünger (Die Linke) schließt sich dieser Kritik an und twittert: „Erstaunlich. Die Grünen baggern im selben Tempo an ihrer Glaubwürdigkeit, wie die Bagger an Lützerath.“
Kontakte in Bundes- und Landesregierung
Bevor Rebhann 2018 Bürochef der Grünen-Politikerin Baerbock wurde, arbeitete er für einen weiteren Grünen-Politiker. Acht Jahre lang leitete er das Büro des Bundestagsabgeordneten Oliver Krischer (Grüne). Seit Ende Juni 2022 ist Krischer Umweltminister von Nordrhein-Westfalen.
Auch RWE hat seinen Sitz in Essen, in Nordrhein-Westfalen. Der Verdacht liegt nahe, dass der Energiekonzern so nicht nur auf Rebhanns Kontakte aus der Bundesregierung, sondern auch auf die aus der schwarz-grünen Landesregierung in NRW zurückgreifen kann. Der „Welt“ zufolge soll er aber bewusst keine Lobbyarbeit übernehmen.
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Wechsel aus der Politik hinein in die Wirtschaft sind umstritten, kommen aber nicht selten vor. So wurde beispielsweise Thomas Steg, früherer Sprecher der Bundesregierung, Cheflobbyist bei Volkswagen.