Auf den heutigen Tag haben 34 Parteien und politische Vereinigungen aus Deutschland hin gefiebert. Mit ihrer Stimme entscheiden knapp 66 Millionen Bürger bei der Europawahl darüber, wer in den kommenden fünf Jahren frischen Wind nach Brüssel bringen darf. Viel Wind im Gepäck hat auch die Spitzenkandidatin der FDP, Marie-Agnes Strack-Zimmermann.
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Das Konzept der Freien Demokraten war von Beginn an klar: Strack-Zimmermann soll als lautstarke Spitzenfrau für einen Aufschwung sorgen. Bei der letzten EU-Wahl 2019 ergatterte die Partei von Christian Lindner 5,4 Prozent der Stimmen (2.028.594 Wähler). Fünf Jahren zuvor waren es 3,4 Prozent (986.841 Wähler). An diesem Aufwärtstrend wollte man mithilfe der 66-Jährigen festhalten. Doch die Stimmung im FDP-Lager, auch aufgrund der anhaltenden Ampel-Krise, kippt zunehmend. Die Sorge, dass man die fiktive Fünf-Prozent-Hürde nicht nehmen kann, ist unter den Mitgliedern weit verbreitet.
Europawahl: Ergebnis „eine große Freude“
Dass der Bundesvorstand ausgerechnet die noch-Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im April zur Spitzenkandidatin gemacht hat, ist nicht verwunderlich. Die FDP setzt mit ihr auf eine selbsternannte „Eurofighterin“, die im Parlament kein Blatt vor den Mund nehmen und sich „streitbar“ zeigen will.
„In dieser Partei zu sein ist eine Herausforderung. Es war mein zehnter Wahlkampf in einem Amt, dieser war eine echte Herausforderung. Ich habe sie gerne angenommen. Wir haben ein Ergebnis gehalten, das ist eine große Freude. Dass es eine stabile Fünf Prozent ist, ist eine gute Nachricht. Ich danke den Wählern von Herzen, denn es gab nur eine Stimme. Unsere Nachricht wurde gehört, das war eine wirklich grandiose Teamleistung“.
Marie-Agnes Strack-Zimmermann, EU-Spitzenkandidatin der FDP, im Interview mit dem ZDF
Direkt, polarisierend und schlagfertig. Diese Attribute sollten die FDP hoch hinauskatapultieren, am besten bis auf solche Sphären wie im Jahr 2009. Damals sicherte man sich mit elf Prozent das bisher stärkste EU-Ergebnis. Doch kurz nach der Europawahl steht fest: Die Person Strack-Zimmermann kann die FDP nicht im Alleingang retten! Ersten Hochrechnungen zufolge kommt die Partei auf 5,0 (ARD) beziehungsweise 4,9 (ZDF) Prozent. Zwar kein herber Nackenschlag, dennoch hatte man sich mehr erhofft – auch Strack-Zimmermann. Das Ergebnis aus 2019 konnte die FDP nicht toppen.
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Strack-Zimmermann steht für eine klare Kante. Ihr Steckenpferd ist die Verteidigungspolitik. Sie will einen militärischen Binnenmarkt etablieren und eine europäische Armee aufbauen. Die Waffenlieferungen an die Ukraine will sie nicht nur beschleunigen, sondern auch ausweiten. Eine Kontroverse, die sie gerne öffentlich und ohne Scham ausdiskutiert. Für viele Unentschlossene anscheinend deutlich zu energisch.
Strack-Zimmermann bei EU-Wahl als Zünglein an der Waage
In den letzten Zügen vor der Europawahl hat Strack-Zimmermann noch einmal zum Rundumschlag gegen ihre politischen Kontrahenten ausgeholt. Auch gegen die eigenen Koalitionspartner. Die Äußerungen des SPD-Fraktionschefs Mützenich, der im März von einem „Einfrieren“ des Ukraine-Kriegs sprach, bezeichnet sie lauthals als „skandalös“. Den Kanzlerberater Jens Plötner bezeichnete sie in einem Interview mit dem Spiegel als „Inbegriff der desaströsen deutschen Russland-Politik der letzten 15 Jahre“. Sein direkter Vorgesetzter, Bundeskanzler Olaf Scholz, hätte „autistische Züge“.
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bekommt ebenfalls ihr Fett weg. Sie hätte die EU in ein Bürokratiemonster verwandelt, deshalb brauche die Union „mehr von der Freiheit und weniger von der Leyen“.
Auch wenn Strack-Zimmermann für ihre konsequente Politik viel Gegenwind erhält – teilweise auch aus der FDP – die Partei wollte mit ihr auf einen entscheidenden Faktor setzen: Popularität. Damit der Faktor Strack-Zimmermann auch bei den 16-Jährigen zieht, die erstmals bei einer Europawahl abstimmen dürfen, zeigt sich die 66-Jährige rege bei TikTok. Sie bewertet Kartoffelgerichte und beschwert sich über Gnocchi, die etwas „für Leute ohne Zähne“ seien.
Strack-Zimmermann hat den EU-Wahlkampf ohne Frage belebt, doch der prozentuale Ausgang ist gleichbedeutend mit weiteren Veränderungen. Auch wenn die Spitzenkandidatin das Ergebnis lobt, vor den anstehenden Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg wird man den Kurs korrigieren müssen. Schließlich existiert hierzulande eine tatsächliche Fünf-Prozent-Hürde. Sofern hier keine Sitze in den Parlamenten errungen werden, wird die Luft für den Koalitionspartner – und somit auch für die Ampel – immer dünner.