Die Mehrheit der Deutschen ist es leid. Mit schlechten Umfragewerten strafen sie die Ampel-Koalitionäre für die dauerhaften Zwistigkeiten ab. So sehr die Zustimmungswerte in den Keller fallen, so sehr schießt derzeit ein anderer Wert in die Höhe, der die Regierenden ebenfalls besorgen dürfte.
55 Prozent der Deutschen sind für Neuwahlen. Oder genauer: Für vorgezogene Bundestagswahlen am 9. Juni 2024, dem Tag der Europawahlen. Die Zahlen wurden vom Meinungsforschungsinstitut YouGov – von der Deutschen Presse-Agentur in Auftrag gegeben – ermittelt.
Politikwissenschaftlerin Ursula Münch hat im Gespräch mit dieser Redaktion ihre Einschätzung abgegeben, wie wahrscheinlich ein solches Szenario wäre.
Bürger unzufrieden mit Arbeit der Bundesregierung
Sie erklärt die schlechten Umfragewerte: „Ich erkläre mir das mit einer Unzufriedenheit mit der Arbeit der Bundesregierung sowie ihrer Verfasstheit. Man wirft ihr einerseits vor, keine gute Politik zu machen, was ich überzogen finde. Man wirft ihr andererseits vor, dass sie untereinander sehr uneinig ist, und das ist natürlich ein berechtigter Vorwurf“.
Es sei jedoch auch eine Frage der Stimmungen, die durch die Opposition geschürt werde. Dabei werde „völlig verkannt, dass es ausgesprochen schwierig ist, zu Neuwahlen zu kommen“. Zudem bestehe dafür „schlicht und ergreifend auch kein Erfordernis“. Die Bundesregierung habe eine parlamentarische Mehrheit, ihre Handlungsfähigkeit sei also grundsätzlich gegeben.
Zudem hält Münch Neuwahlen für „relativ unwahrscheinlich“, da diese für die einzelnen Koalitionspartner sehr risikobehaftet sind: „Der Hauptgrund ist aber: Wie soll das vonstattengehen?“
„Einziges Instrument, um Bundestag aufzulösen, ist Vertrauensfrage“
„Das einzige Instrument, um zu einer Auflösung des Bundestags zu kommen, ist die Vertrauensfrage. Sie kann nur vom Bundeskanzler selbst initiiert werden. Die Opposition kann den Bundeskanzler zu keiner Vertrauensfrage zwingen“, erklärt die Politikwissenschaftlerin. Außerdem sei das Mittun des Bundespräsidenten erforderlich.
Und weiter: „Selbst wenn die Vertrauensfrage negativ beantwortet werden würde, wäre Scholz nicht gezwungen, darauf zu reagieren. Er könnte reagieren, müsste es aber nicht.“ Die Expertin: „Insofern fehlt den Anstößen des CSU-Vorsitzenden Söder und den Einschätzungen der Befragten jede verfassungsrechtliche Grundlage.“ Die Überlegungen würden zudem wahltaktischen Überlegungen der Ampelpartner widersprechen.
Eine andere Möglichkeit, die jetzige Regierung zu beenden, sei ein Koalitionswechsel, bei dem der Kanzler sage: „Mit den kleinen Koalitionspartnern möchte er nicht mehr zusammenarbeiten, stattdessen lieber mit der Union. Dafür braucht es keine Neuwahlen.“
Doch auch das hält die Politikexpertin für unwahrscheinlich, denn die Union dürfte kein Interesse daran haben, Juniorpartner in einer SPD-geführten Regierung zu sein.