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Essen: Mann heiratet Minderjährige – und macht ihr danach das Leben zur Hölle

Ein Mann (37) steht unter anderem wegen versuchten Totschlags vor dem Landgericht Essen. Er soll seine Frau terrorisiert haben.

Mann (37) steht wegen versuchten Totschlags vor dem Landgericht Essen.
© Marlen Schubert/DERWESTEN

Mord oder Totschlag? Das ist der juristische Unterschied

Stundenlang schaut er sie nicht an, würdigt sie keines Blickes – erst am Ende, als es um die Kinder geht, verliert er erste Worte in ihre Richtung. Tarek B. (37) steht am Mittwoch (9. August) vor dem Landgericht Essen, wird mit Handschellen von zwei Justizbeamten in den Saal geführt.

Die Anklage hat es in sich: Die Staatsanwaltschaft wirft ihm unter anderem versuchten Totschlag vor. Sein Opfer: die eigene Ehefrau (26) und ihre Familie.

Essen: Gewalt steigert sich mit der Zeit

Rückblick: Die beiden lernen sich 2012 in Syrien kennen, er 26, sie gerade mal 15 Jahre alt. Nur drei Tage später heiraten die beiden nach Scharia-Recht. „Ich wusste nichts über ihn“, erzählt die 26-Jährige vor Gericht. 2015 flieht sie vor dem Bürgerkrieg mit der gemeinsamen Tochter und ihrem Vater nach Deutschland. Auf dem Weg über die Türkei war sie bereits mit der zweiten Tochter schwanger.

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Währenddessen saß Tarek B. im syrischen Gefängnis, weil er sich weigerte, in den Krieg zu ziehen. 2016 kommt der 37-Jährige auch nach Deutschland. Das Ehepaar zieht nach Essen, wenig später beginnt für sie die Hölle. Tarek B. möchte, dass seine Frau zu Hause bleibt, keine Sprachschule besucht, nicht arbeiten geht. Sie vor Gericht: „Ich bin doch ein Mensch. Ich will dem Land etwas zurückgeben, in das ich gekommen bin.“

Mann (37) steht wegen versuchten Totschlags vor dem Landgericht Essen.
Mann (37) steht wegen versuchten Totschlags vor dem Landgericht Essen. Foto: Marlen Schubert Foto: Marlen Schubert/DERWESTEN

Zu dieser Zeit kommt es immer wieder zu Streit. 2019 trennen sie sich, bleiben wegen der Kinder aber noch in Kontakt. Seitdem fängt er an, sie zu schlagen. Die 26-Jährige ruft immer wieder die Polizei. Im Februar 2021 eskaliert es richtig: Tarek B. soll seiner Ehefrau ein Messer an den Hals gehalten und ihr gedroht haben, sie umzubringen. Danach taucht er mehrmals vor ihrer und der Wohnung ihrer Eltern auf, terrorisiert sie mit Anrufen, stellt ihr nach. B. kassiert ein dreimonatiges Kontaktverbot.

Mann glaubt an Affäre: „Wo ist er?“

Dann kommt es zur Tat, für die er sich vor Gericht verantworten muss. Am 23. August 2022 bricht er gegen zwei Uhr nachts die Tür ihrer Wohnung auf. Die Frau schläft, die Kinder nebenan. Der 37-Jährige betritt das Schlafzimmer, wirkt betrunken, vermutet eine Affäre seiner Frau und fragt: „Wo ist er?“

Laut Anklageschrift schlägt er ihr mehrmals ins Gesicht und gegen den Körper. „Meine Gedanken waren nur damit beschäftigt, nicht zu schreien, damit die Kinder nicht wach werden“, berichtet das Opfer. Bei dieser Schilderung schließt der Angeklagte immer wieder seine Augen, hält sich beide Hände vor sein Gesicht.

B. zieht seine Ex in dieser Augustnacht an den Haaren ins Wohnzimmer, holt ein Messer aus der Küche, verletzt die 26-Jährige am Unterarm. Und fragt dann nochmal: „Wo ist er?“ Sie reagiert mit einem Bluff, meint, er befinde sich im Schlafzimmer. Daraufhin kann sie nur in Unterwäsche bekleidet auf die Straße fliehen.

Essen: Als es um die Kinder geht, spricht er

Auch zwei Wochen nach der Tat waren die Spuren der Gewalt noch nicht verwischt. Ein blaues Auge, Schwellungen und Schnitte am Unterarm erinnern die 26-Jährige an die Horror-Nacht. Danach schlief sie aus Angst und auf Ratschlag der Polizei und ihrer Familie nicht mehr in ihrer Wohnung.

Nur rund einen Monat später soll B. laut Anklageschrift auch den jüngeren Bruder seiner Ehefrau bedroht und ihn mit einer Schreckschusspistole gegen den Kopf geschossen haben. Der 16-Jährige kam lebensbedrohlich verletzt in ein Krankenhaus.


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Kurz vor Ende des ersten Verhandlungstages, als die Frau mit ihrer Aussage fertig ist, fragt sie den Richter: „Darf ich noch mit Tarek sprechen?“ Sie wolle ihm Bilder von der Einschulung des jüngsten Sohnes zeigen.

Der Richter antwortet: „Wir sind hier nicht für eine Familienzusammenführung zuständig.“ Als die Frau den Gerichtssaal daraufhin verlässt, spricht auch Tarek B. zum ersten Mal: „Ich will nur, dass sie den Kindern sagt, dass ich nicht im Gefängnis bin.“ Der Richter: „Das ist die Entscheidung ihrer Frau.“ Der Prozess wird am 15. August fortgesetzt.