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AfD: Reagieren wir alle zu panisch auf den Umfrage-Höhenflug? „Plattform der Unzufriedenen“

Viele Menschen sind angesichts der steigenden Umfrage-Werte der AfD besorgt. Wolfgang Schroeder ordnet ein, ob wir alle zu panisch reagieren.

Viele Menschen sind angesichts der steigenden Umfrage-Werte der AfD besorgt. Wolfgang Schroeder ordnet ein, ob wir alle zu panisch reagieren.
© imago images/U. J. Alexander

Der rasante Aufstieg der AfD

Seit 2013 gibt es die Alternative für Deutschland (AfD). Seit ihrer Gründung hat die rechtspopulistische Partei einen rasanten Aufstieg hingelegt.

Wenn am nächsten Sonntag Bundestagswahl wäre, dann sähe es für die AfD nicht schlecht aus. Laut Infratest dimap Umfrage legte die AfD zwei Prozentpunkte zu, steht aktuell bei 18 Prozent – gleichauf mit der SPD und drei Prozentpunkte über den Grünen.

Wolfgang Schroeder, Professor für Politikwissenschaften an der Universität Kassel, ordnet im Interview mit dieser Redaktion den aktuellen Umfrage-Aufschwung der AfD ein – reagiert die Gesellschaft und die Medien zu panisch? Der Politik-Experte gibt Aufschluss.

Befindet sich die AfD auf einem Höhenflug?

Mehreren Umfragen zufolge erlebt die Partei aktuell ein Hoch. Wie bewerten Sie das?

Erstens ist das Ergebnis ausgedrückt in Zustimmungswerten nicht überraschend. Zweitens ist es das Ergebnis eines Stimmungswechsels, den wir in der Republik seit letztem Jahr beobachten können. Statt einer relaxten Haltung hat sich mehr und mehr eine pessimistische Grundhaltung im Land entwickelt.

Und die AfD ist eine Partei, die das Negative kommuniziert, an sich zieht und geschaffen ist für eine pessimistische Konstellation. Das ist nicht zu verwechseln mit einem Wahlergebnis, da wird sich nochmal einiges tun. Aber: Die Werte von 15 bis 25 Prozent sind nicht ungewöhnlich. Sie sind immer erreichbar. Entweder, wenn man als Partei eine gute Aufstellung hat, was bei der AfD nicht unbedingt der Fall ist, oder wenn eine Projektionsfläche für den Zorn und die Kritik an den etablierten Verhältnissen gegeben ist. Und das leistet die AfD in sehr beeindruckender Weise schon seit mehreren Jahren – dass sie diesem Zorn, diesem Unmut eine Stimme gibt und sich als Plattform der Unzufriedenen behaupten kann.

Unions-Politiker haben die Ampel-Koalition und den Streit über das Heizungsgesetz für das Erstarken der AfD verantwortlich gemacht – Was sind die Hauptgründe für den Aufschwung?

Die Aufwärtsentwicklung der AfD geht seit letztem Jahr August. Es ist also ein sukzessiver Prozess, der sich weit vor dem Heizungsgesetz sichtbar machte. Und gleichzeitig ist der Unmut darüber groß, dass Politik sich möglicherweise zukünftig noch intensiver in die Lebensweise der Menschen einmischen könnte. Das ist sicherlich ein zusätzlicher, stimulierender Faktor für die ablehnende Haltung, die durch die AfD formuliert wird.

Ängste zählen zu diesen Hauptgründen, haben durchaus berechtigte Grundlagen. In der Gruppe der AfD-Wähler gibt es kein Vertrauen in Personen und Institutionen des politischen Systems – insofern ist es nicht ganz erstaunlich, dass in dieser Phase die AfD einen Hype hat. Aber: Das ist nicht weiter bedenklich, wenn man sich die Entwicklung der letzten Jahre anschaut.

„Themen der AfD reichen stärker in die Mitte“

Im Mai 2022 lag die AfD noch bei 11 Prozent, jetzt liegt die Partei bei rund 19 Prozent – Reagieren wir zu panisch?

Ja, auf jeden Fall. Wir haben eine sehr nervöse Lage, das spiegelt sich auch in der öffentlichen Debatte wider über die AfD, die Ampel-Koalition und über den Weg dieser Republik. Das Erstaunliche ist, dass normalerweise die Union von den Ampel-Schwierigkeiten profitieren müsste. In den letzten Monaten ist das nicht erkennbar.

64 Prozent der Befragten haben große oder sehr große Sorgen angesichts des Umfrage-Hochs, das geht aus einem Trendbarometer von RTL/ntv hervor. Müssen Bürger Angst vor einem Rechtsruck in Deutschland haben?

Es gibt insofern einen Rechtsruck, dass man beobachten kann, dass bestimmte Themen der AfD stärker in die Mitte hineinreichen – etwas stärker auch von anderen Parteien bedient werden. Das kann für den demokratischen Verfassungskonsens unserer Republik problematisch sein. Die Richtungsanzeige der AfD ist für unser System insofern sehr gefährlich, weil es eine Destruktion des repräsentativen, demokratischen Systems bedeuten würde. Andererseits: 80 Prozent der Bevölkerung lehnen das, was die AfD macht, wie sie denkt und auftritt, ab.


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Ein Blick in die Zukunft: Glauben Sie, dass die AfD den aktuellen Trend bis zur nächsten Bundestagswahl aufrecht erhalten kann?

Das hängt immer von den Rahmenbedingungen ab. Wenn sich die Unsicherheiten auf der einen Seite stabilisieren, auf der anderen Seite der Eindruck entsteht, die Ampel-Koalition ist nicht so aufgestellt, dass sie den Unsicherheiten eine klare Politik entgegen stellt, dann ist der Resonanzboden für die auf Angst, Ressentiments und Streit ausgerichtete Politik stärker als wenn es gelingt die wesentlichen Fragen durch die Parteien im Konsens zu lösen. Der Umgang mit der Migration kann schon eine wesentliche Katalysator-Funktion für die Stärkung des Rechtspopulismus und Rechtsextremismus in Deutschland sein.

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