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Viele Ostprodukte haben die DDR überlebt

Viele Ostprodukte haben die DDR überlebt

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Essen. Rotkäppchen, die Halloren-Kugel, Spee: Viele Ostprodukte sind 20 Jahre nach dem Fall der Mauer aus den Regalen nicht mehr wegzudenken. In den neuen Ländern sind sie längst wieder Marktführer, in Westdeutschland dagegen tun sich viele noch schwer mit der Bekanntheit.

Ein märchenhafter Aufstieg: Rotkäppchen steht wie kaum ein anderes Produkt für ostdeutschen Erfolg. 20 Jahre nach dem Fall der Mauer ist die Sektmarke aus dem sachsen-anhaltinischen Freyburg in Ost wie West bekannt. Rotkäppchen hat es zum Marktführer im vereinten Deutschland geschafft. Durch Zukäufe bekannter West-Marken wie Mumm, MM oder Geldermann ist die gleichnamige Sektkellerei zudem zur größten im vereinigten Deutschland aufgestiegen.

Wie Rotkäppchen haben sich viele Ostprodukte einen festen Platz in den Regalen zurückerobert. Vor allem in den neuen Bundesländern sind die aus DDR-Zeiten bekannten Namen beliebter denn je und machen dort den Marken der großen Konzerne erfolgreich Konkurrenz.

Ehemalige DDR-Bürger erinnerten sich an ihre Produkte zurück

Das war nicht immer so. Mit dem Mauerfall hatten viele Menschen ihre DDR-Produkte satt. Die westliche bunte Warenwelt hielt Einzug in die Läden und viele Ostmarken verschwanden aus den Regalen. Erst nach und nach erinnerten sich die Ostdeutschen wieder an die fast vergessenen Produkte, die nun mit besserer Qualität und modernen Verpackungen nach und nach in die Läden zurückkehrten.

Die Ostalgiewelle, die Mitte/Ende der 90er Jahre einsetzte, hatte jedoch nichts mit Sehnsucht nach dem DDR-System zu tun, warnen Experten vor falschen Schlüssen. «Da sich Identität über die eigene Lebensgeschichte bildet, heißt das: Jedes Ostprodukt spiegelt einen Tag oder Erlebnisse in der eigenen Lebensgeschichte», betont der Soziologe Frithjof Hager von der Freien Universität Berlin. Gäbe es dies nicht, «wüsste ein ehemaliger DDR-Bürger heute nicht, wer er eigentlich ist». Würden einem Menschen also alle Dinge genommen, die ihm im Leben wichtig waren oder die eine bestimmte Zeit geprägt haben und deren Erinnerung er mit anderen teilen kann, so würde ein Stück seines Lebens wegbrechen.

Anders als der Sektmarke Rotkäppchen ist es jedoch nur wenigen Ostprodukten bislang gelungen, in Westdeutschland Fuß zu fassen. Vielfach verläuft die Grenze noch immer entlang von Schlagersüßtafel, Zetti Knusperflocken und Nudossi.

Im Ossiladen Köln ist viel Beratung gefragt

Eine Erfahrung, die Sven Tkotz fast täglich macht. In seinen „Ossiladen“ mitten in Köln kommen häufig Neugierige, die mit Vita-Cola, Mokka-Bohnen oder eben besagter Schokolade Schlagersüßtafel wenig anfangen können. „Da ist viel Beratung“ und so manche (n)ostalgische Geschichte gefragt, erzählt der gebürtige Bautzner. Viele seiner Kunden seien aber auf den Geschmack gekommen: „Bei der Schlagersüßtafel komme ich mit dem Bestellen zurzeit gar nicht nach.“

Aber die ostdeutschen Hersteller arbeiten daran, sich auch in den alten Ländern einen Namen zu machen. Mit ihrer DDR-Vergangenheit können sie dort – anders als im Osten – nicht punkten. In den Läden zwischen Nordsee und Alpen entscheidet allein der Preis und die Qualität, wie Stephan Stevis, Geschäftsführer der Edeka Rhein Ruhr unterstreicht.

Vor allem die Ostmarken, die in der Werbung präsent sind, haben es dabei leichter. Namhafte Beispiele sind neben Rotkäppchen das Waschmittel Spee oder Radeberger. Sie sind im Bewusstsein der Menschen längst zu nationalen Marken aufgestiegen. Nicht zuletzt auch deshalb, weil große (West-)Konzerne mit hohen Marketingbugets dahinter stehen. Spee beispielsweise gehört zum Düsseldorfer Henkel-Konzern, das Radeberger Bier kommt aus dem Hause Oettker, hinter Rotkäppchen steht die Eckes-Familie. So wie diese haben viele Ostmarken nur mit Kapital aus den alten Bundesländern überlebt.

Die meisten ostdeutschen Produzenten tun sich dagegen schwerer, wie das Beispiel der Kathi Rainer Thiele GmbH zeigt. Der Produzent von Backmischungen aus Halle ist in den neuen Bundesländern mit 40 Prozent Marktanteil unangefochtener Marktführer. Seit 1950 backt die ostdeutsche Hausfrau mit Kathi. Da hat selbst der große Konkurrent Dr. Oettker das Nachsehen. In die westdeutschen Läden zu kommen, ist dagegen „sehr schwer und sehr zäh“, berichtet Sabine Schlede, Sprecherin von Kathi. Dem Familienunternehmen fehlt es schlicht am Geld für großangelegte Werbung. Bundesweit betrachtet liegt der Marktanteil von Kathi bei elf Prozent.

Produzenten setzen nicht auf Ostschiene

Dennoch will man nicht um jeden Preis in die West-Regale drängen. „Wir lassen uns nicht verramschen“, betont man in Halle. Eine kluge Preispolitik gehört zum Erfolg dazu: immer günstiger als der große Konkurrent aus Bielefeld und nie so billig wie die Eigenmarken des Handels.

Die Hallenser sehen sich trotz ihrer Wurzeln als nationale Marke. „Wir gehen bewusst nicht auf die Ostschiene“, so Sabine Schlede. Der deutsche Einzelhandelsverband begrüßt diese Einstellung: „Anfangs haben viele Produzenten den Fehler gemacht und zu stark auf Ostalgie gesetzt“, meint Verbandssprecher Hubertus Pellengahr. Dabei bräuchten die Ostprodukte den Wettbewerb nicht zu scheuen. „Sie sind auf jeden Fall eine Bereicherung im Angebot“, so Pellengahr.