Bei der Bahn stehen wieder Tarifauseinandersetzungen an. Es geht um Geld, aber vor allem um Arbeitszeiten. Nach Streik sieht es (noch) nicht aus.
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„Schon heute fallen in NRW täglich Züge aufgrund des bestehenden Personalmangels aus“, berichtet die Lokführer-Gewerkschaft GDL. Deshalb will sie den Fokus bei den anstehenden Tarifverhandlungen auf das Thema Arbeitszeit legen.
Auf den von der Deutschen Bahn betriebenen Strecken sei das kein gravierendes Problem, widerspricht Bahn-Sprecher Dirk Pohlmann. Zwar gebe es Züge, die aufgrund von Krankheiten ausfallen, allerdings seien das Einzelfälle. „Vielleicht einer am Tag“, was bei rund 1000 Verbindungen pro Tag nicht viel sei.
Ob großes Problem oder kleines – es ist ein Problem, das auch andere Anbieter haben: Die Nordwestbahn, die vor allem Bahnstrecken in Niedersachen, aber auch in NRW, betreibt, musste erst jüngst einräumen, dass durch hohen Krankenstand Verbindungen ausfallen. Bei National Express, das in NRW etwa die RB 48 zwischen Bonn und Wuppertal betreibt, wurde es in den Sommerferien eng: Mehrere Verbindungen mussten wegen „außerplanmäßiger Krankmeldungen“, so das Unternehmen, ersatzlos gestrichen werden.
Weniger Überstunden, mehr Planbarkeit
Die Gewerkschaften GDL und EVG wollen deshalb in den anstehenden Tarifverhandlungen Entlastungen für die Lokführer erreichen: Abbau von Überstunden, verpflichtend zwei Ruhetage pro Woche und ein Mindestabstand zwischen zwei Schichtfolgen.
Insgesamt schieben die Lokführer 6,2 Millionen Überstunden vor sich her. Dies sei Mehrarbeit aus früheren Jahren, wiegelt die Bahn ab und verweist auf die aktuelle Situation. 2015 hätten die Mitarbeiter durchschnittlich 15,7 Überstunden geleistet. Der Durchschnitt in Deutschland liege bei 47 Stunden Mehrarbeit.
Mit den Forderungen will die Gewerkschaft nicht nur dem gegenwärtigen Personal helfen, sondern dem Unternehmen auch die Suche nach Nachwuchs erleichtern. „Wenn die DB die massiven Arbeitszeitprobleme nicht in den Griff bekommt, wird sie auch nicht mehr genügend junge Leute finden, die Lokomotivführer oder Zugbegleiter werden wollen“, warnt GDL-Chef Claus Weselsky.
Beide Seiten halten den Ball flach
Das Thema Streik schieben beide Verhandlungsseiten erst einmal beiseite. „GDL und Bahn ist daran gelegen, dass man sich schnell einigt“, sagte Weselsky gegenüber der Mittelbayerischen Zeitung. Beide Seiten wüssten um die „Durchhaltefähigkeit“ des anderen.
Ein Streik ist nicht nur teuer, sondern kratzt auch am Image – sowohl bei der Bahn, die in Sachen Pünktlichkeit und Verlässlichkeit ohnehin ihren eigenen Ansprüchen hinterher hinkt, als auch bei der GDL, die schon beim vergangenen Streik wenig Rückhalt in der Bevölkerung genoss.
„Lex GDL“ greift bei der Bahn noch nicht
Zudem lassen auch die Vereinbarungen des letzten Tarifstreits einen Streik unwahrscheinlicher werden: Wünscht eine Seite die Einsetzung eines Schlichters, kann sich die andere Seite nicht einfach darüber hinwegsetzen. Das nötigt beide Seiten, am Verhandlungstisch zu bleiben. „Wir haben begründete Hoffnung, dass die Verabredung befriedend wirkt“, sagte Bahn-Personalchef Ulrich Weber gegenüber der Mittelbayerischen Zeitung.
Keine Rolle spielt diesmal der Konflikt zwischen den Gewerkschaften: Die deutlich kleinere GDL hatte bei den vergangenen Tarifverhandlungen durchgesetzt, dass das Tarifeinheitsgesetz von der Bahn bis 2020 nicht angewandt wird. Das Gesetz, vielfach auch „Lex GDL“ genannt, wurde infolge des jüngsten Bahnstreiks verabschiedet und soll die Macht kleinerer Gewerkschaften beschränken.
Rückblick: Als die Lokführer das Land lahmlegen wollten
Erste Gespräche zwischen Bahn und EVG sind für den 17. Oktober angesetzt. Schon eine Woche zuvor treffen sich Bahn und GDL-Vertreter.
Während der letzten Tarifverhandlungen hatten die Lokführer von Herbst 2014 bis ins Frühjahr 2015 hinein mehrfach den Bahnverkehr mit Streiks lahmgelegt. Die Bahn bezifferte den dadurch entstandenen Schaden auf insgesamt rund 500 Millionen Euro.