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Mehr Selbstmorde in der Krise erwartet

Mehr Selbstmorde in der Krise erwartet

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Foto: WAZ Foto Pool

Hamburg. Wegen der Wirtschaftskrise rechnen Experten mit mehr Selbstmorden in Deutschland. Zeitarbeiter sollen besonders betroffen sein. Zudem weisen Einwanderer eine erhöhte Suizidgefahr auf. Grund ist deren Perspektivlosigkeit auf dem Arbeitsmarkt.

Infolge der Wirtschaftskrise rechnen Experten mit mehr Selbstmorden in Deutschland. «Wir haben für Deutschland für 2008 noch keine Zahlen, aber in Frankreich haben es die Statistiken für das vergangene Jahr schon gezeigt», sagte der Vorsitzende des Nationalen Suizid-Präventionsprogramms, Armin Schmidtke, am Montag in Hamburg. Nicht nur Manager, sondern auch Arbeiter seien betroffen.

Besondere Sorge bereitet den Fachleuten die Branche der Zeitarbeiter, bei der viele Beschäftigte in der Krise ihre Anstellung verloren haben. «Zeitarbeiter hoffen immer auf einen festen Job in einem Unternehmen, und genau das ist jetzt nicht der Fall», erklärte Schmidtke.

Zudem weisen Einwanderer eine erhöhte Suizidgefahr auf. «Die Perspektivlosigkeit für Migranten ist in der Krise viel höher als für andere Menschen», sagte Schmidtke. Aber nicht allein die Wirtschaftskrise ist ein Grund für die hohe Selbstmordrate unter Einwanderern. «Insbesondere weibliche Jugendliche und junge weibliche Erwachsene mit Migrationshintergrund weisen signifikant erhöhte Suizidversuchsraten auf», sagte Schmidtke.

Diese Situation äußert sich im durchschnittlichen Sterbealter bei Selbstmorden. Nicht-Deutsche Männer und Frauen nehmen sich nach Angaben des Nationalen Suizid-Präventionsprogramms mit durchschnittlich etwa 43 Jahren zehn Jahre früher das Leben als Deutsche.

Kulturunterschiede als Grund für Suizid

«Gerade bei jungen Frauen weiß man, dass der Kultur-Clash besonders ausgeprägt ist, wenn sie etwa aus arabischen Ländern nach Deutschland kommen. Auch das Thema Zwangsheirat ist eine Ursache», sagte Schmidtke zu den Daten über die Einwanderer.

Dagegen nimmt unter Deutschen seit Jahren das Alter suizidgefährdeter Menschen stetig zu. Mehr als 20 Prozent der Menschen, die sich das Leben nehmen, sind älter als 60 Jahre. Diese Rate ist den Untersuchungen der Suizid-Forscher zufolge in den vergangenen 50 Jahren immer weiter angestiegen.

Schmidtke erklärt diese Entwicklung damit, dass sich ältere Menschen von der Gesellschaft alleingelassen fühlten: «Viele haben Angst vor der Hilflosigkeit im Alter und vor einer entwürdigenden Behandlung.» Auch die Scham vor Armut treibe viele in den Suizid.

In Deutschland nimmt sich nach Zählungen des Statistischen Bundesamtes alle 47 Minuten ein Mensch das Leben, alle vier Sekunden gibt es einen Suizidversuch. Mehr als die Hälfte der Männer und etwa 30 Prozent der Frauen wählen dabei den Tod durch Erhängen. Vergiftungen stehen an zweiter Stelle. Bei Kindern und Jugendlichen sind Suizide allgemein die häufigste Todesursache nach Verkehrsunfällen. (ap)