Im Tarifstreit zwischen der Lokführergewerkschaft GDL und den Bahnunternehmen im Schienenpersonenverkehr stehen die Zeichen auf Streik. Von den streitenden Parteien wagt bis dato niemand einen Vorstoß für neue Verhandlungen. Schon gar nicht die GDL.
Essen.
Auf Bahnnutzer in Deutschland kommt sehr wahrscheinlich eine harte Zeit zu: Am kommenden Montag, 7. März, wird sich entscheiden, ob die Lokführergewerkschaft GDL zu einem regulären bundesweiten Streik im Bahnverkehr aufruft. Der kann dann sogar mehrere Tage dauern. Ob es dazu kommt, hängt wohl einzig von der Streikbereitschaft der insgesamt 34.000 Mitglieder der GDL ab – die als hoch eingeschätzt wird. Von Bahn AG und den privaten Bahnunternehmen, mit denen den GDL im Tarifclinch liegt, ist bis dato kein Entgegenkommen zu verzeichnen.
„Die Situation ist verfahren“, sagt Frank Schmidt, Landesvorsitzender der GDL in NRW. Die bisherigen Warnstreiks haben bei Bahn AG und den privaten Betreibern, deren sechs größte Schienenverkehrsunternehmen unter der Bezeichnung G6 die Tarifverhandlungen führen, keine Wirkung erzielt. Außer, dass Sie Bahnkunden verärgert haben.
Zu den privaten Unternehmen gehören Abellio, Arriva, Benex, Keolis, Veolia und die Unternehmen der Hessischen Landesbahnen. Betroffene Unternehmen in NRW, zum Teil Tochterfirmen der „G6-Konzerne sind unter anderem die Nordwest-Bahn, die Eurobahn, die Prignitzer Eisenbahn und die Westfälische Landes-Eisenbahn.
Wer am Zuge ist? Jeweils der andere
Die Bahn AG sieht nun die Gewerkschaft gefordert. DB-Personalvorstand Ulrich Weber fordert von der GDL „unverzüglich weiterzuverhandeln. Die Beeinträchtigungen für unsere Kunden sind unverhältnismäßig. Die DB und ihre Kunden sind die falschen Adressaten.“ Die Lokführergewerkschaft aber sieht die Bahn am Zuge: Solange es keine neuen Angebote aus dem Kreis der Unternehmen gibt, sind neue Verhandlungen ausgeschlossen, erklärt GDL-Chef Claus Weselsky im Interview mit DerWesten.
Sollten Verhandlungen wieder anlaufen, „würden wir die Streiks natürlich aussetzen“, sagt Weselsky. Würde nur die Bahn AG den Lokführern ein besseres Verhandlungsangebot machen, nicht aber die G6-Unternehmen, „würden wir überlegen, nur bei den privaten Firmen weiter zu streiken“. 70 Prozent der bei privaten Bahnfirmen beschäftigten Lokführer seien in der GDL organisiert. Weselsky: „Wir haben 20 der 25 privaten Bahnunternehmen im Streik“.
GDL muss auf drei Streitfeldern aktiv sein
Die Situation ist schwer zu überblicken. Es sind gleich drei Bahn-Bereiche in denen die GDL zu Warnstreiks aufgerufen hat: Neben der DB und den „G6“-Unternehmen im Schienenpersonenverkehr geht es auch um die Arbeitsbedingungen im Schienengüterverkehr. Zwar strebt die GDL einen einheitlichen und branchenübergreifenden Flächentarifvertrag für die Lokführer an – aber der muss an drei Verhandlungstischen ausgefochten werden; wenn man denn mal wieder am Verhandlungstisch sitzt.
Allerdings weigern sich DB und die G6-Unternehmen bis dato standhaft, gemeinsam zu verhandeln. Nur die Gespräche für den Güterverkehr laufen derzeit weiter. Deshalb wurde Unternehmen wie Schenker Rail oder SBB Cargo am vergangenen Freitag – dem zweiten Warnstreiktag – nicht bestreikt.
Worum geht es der GDL? Die Gewerkschaft will eine einheitliche und vor allem bessere Entlohnung der Lokführer in einer „einheitliche Entgelttabelle, nach der sich alle Wettbewerber richten können“, wie Claus Weselsky erläutert. Gefordert werden zudem Zulagen für Nacht-, Sonn-, Feiertagsschichten und für Fahrerentschädigungen bei langen Anreisen für Schichtübernahmen. Alle diese Punkte „müssen dann für alle Unternehmen gelten“. Auch eine Regelung der Wochenarbeitszeit; Fahrtzeitregelungen, wie sie etwa für Bus- und Lastwagenfahrer gesetzlich gelten, kennt die Bahn-Wirtschaft bis dato nämlich nicht.
Private Unternehmen lehnen
Über sieben Monate hatten GDL und Bahn-Unternehmen im vergangenen Jahr bereits verhandelt, bis die Gespräche schließlich in diesem Januar platzten. Die DB AG bot nur 1,9 Prozent „Entgelterhöhung“, die GDL aber fordert 5 Prozent. Die DB veranschlagte eine 39-Stunden-Woche, die GDL verlangt 38 Stunden. Dazu verlangt die GDL, dass Lokführer bei Dienstunfähigkeit vor Kündigung geschützt werden. Die DB sieht dazu keine Notwendigkeit.
Auch bei den G6-Unternehmen gibt es derzeit keine Zeichen auf ein Einlenken: „Die GDL muss sich bewegen“, sagt Sprecher Christoph Kreienbaum. Zudem sieht er die Tarifsituation bereits geregelt, weil die Unternehmen mit der Eisenbahn-Verkehrs-Gewerkschaft (EVG) unlängst einen Tarifvertrag beschlossen haben. Kreienbaum: „Die GDL muss akzeptieren, dass es bereits einen Branchentarifvertrag gibt.“ Das tut die aber nicht: „Der Tarifvertrag erfüllt nicht unsere Forderungen und gilt auch nur für den Personennahverkehr“, kritisiert etwa Frank Schmidt von der NRW-GDL.
Bahnunternehmen Veolia lässt rechtliche Schritte prüfen
Der private Nahverkehrsanbieter Veolia (im Ruhrgebiet unter anderem auf den Linien RB 14, 43 und und 45 unterwegs) prüft derzeit juristische Schritte gegen die Lokführer: „Wir prüfen, welche Möglichkeiten es gibt, ob das Allgemeininteresse in Gefahr ist, welche juristischen Mittel es gibt“, sagte der Vorsitzende der Geschäftsführung Ragnar Nordström in einem Medienbericht am Donnerstag. Nordström griff die GDL scharf an: „Wir und unsere Kunden sind offenbar nur der Spielball der Gewerkschaften und ihres Konflikts“. Die GDL versuche stets, die Abschlüsse der Konkurrenzgewerkschaft EVG zu übertreffen. „Das ist nicht nur für die Fahrgäste ärgerlich, das schadet auch dem Verkehrsmittel Eisenbahn insgesamt“.
Im Prinzip erfüllten die Privatbahnen alle Kernforderungen der GDL, die aber „primär streiken, nicht reden“ wolle. „Ich kenne Verhandlungen als Gespräche auf Augenhöhe, nicht als Diktat einer Seite“, kritisierte Nordström. Die GDL habe den Privatbahnen ihren Entwurf für einen Lokführer-Branchentarifvertrag auf den Tisch gelegt und sie aufgefordert zu unterschreiben. „So geht es natürlich nicht. Wir haben uns bewegt, die GDL aber noch nicht einen Millimeter.“
GDL-Bundeschef Claus Weselsky weist den Verdacht von sich, die kleine Lokführergewerkschaft lasse ihre Muskeln spielen, um sich gegen die übermächtige Gesamt-Bahngewerkschaft EVG zu behaupten. Die GDL hat insgesamt 34.000 Mitglieder. Die EVG, in der am 30. November 2010 die Gewerkschaften GDBA und Transnet sich vereint haben, hat bundesweit 240.000 Mitglieder.
Lokführer sehen sich durch andere Gewerkschaft nicht repräsentiert
Für Reinhard Bispinck, Tarif-Experte in der Hans-Boeckler-Stiftung, gilt dies aktuell nicht: „Im Streik des Jahres 2007 ging es für die GDL vor allem darum, sich – unabhängig von den beiden anderen Eisenbahner-Gewerkschaften als eigenständige Tarifvertragspartei durchzusetzen.“ Das stehe in diesem Jahr „nicht mehr zur Diskussion“.
Flächentarifverträge, wie sie die GDL fordert, sind in vielen Wirtschaftsbereiche normal,etwa in der Metall-, Chemie- oder Druckindustrie, sagt Bispinck. Das Besondere bei der GDL ist, dass sie dies nur für eine bestimmt Berufsgruppe aushandeln will. „Dies wird von den Branchengewerkschaften kritisiert, weil dadurch die Solidarität aller Beschäftigten untergraben wird.“
Weselsky sieht das kämpferisch: „Wir haben 80 Prozent der Lokführer bei der DB organisiert und 70 Prozent der privaten Bahnen. Wir müssen uns nicht der EVG unterordnen.“ Da die EVG nicht annähernd so viele Lokführer wie die GDL in ihren Reihen habe, habe sie auch nicht „das Recht, für die Lokführer einen Tarifvertrag abzuschließen.“