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Deutsche Textilfirmen entdecken „made in Marokko“

Deutsche Textilfirmen entdecken „made in Marokko“

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Foto: Lars Heidrich / WAZ FotoPool
Konzerne wie Zara oder Diesel lassen verstärkt ihre T-Shirts und Jeans in Afrika fertigen. Die Vorteile gegenüber China liegen auf der Hand: Es ist preisgünstiger – und schneller. Kritiker sorgen sich allerdings um die Näherinnen.

Düsseldorf. 

„Made in Bangladesh“. Dieses Etikett in Hemd oder Hose schreckt Kunden ab. Es liest sich wie eine Warnung vor etwas Verbotenem. Achtung! Ein Problemstück! Bei Mode aus China, Indien oder eben Bangladesch haben Käufer schnell schlimme Bilder vor Augen. Von ausgemergelten Näherinnen, die in sengender Hitze Stoffe bearbeiten, damit die reichen Herrschaften in Europa für kleines Geld schön aussehen können. Doch jetzt orientieren sich Hersteller um. Die Ersten leiten ihren Abschied von den kritisierten Billiglohnländern ein und lassen lieber in Marokko produzieren.

Aus Geschäftsleuten werden keine Wohltäter

„Made in Marokko“ steht also neuerdings auf den Etiketten zu lesen. Bislang vor allem von Spaniern und Franzosen geschätzt, sehen nun auch deutsche Hersteller in Marokko viele Vorteile. Was nun nicht bedeutet, dass aus Geschäftsleuten Wohltäter werden. Sie denken wohl mehr an das eigene Geld und an das Praktische, als an Fabrikjobs fern jeder Moral, die sie nicht länger unterstützen mögen.

Das Praktische sieht so aus: Gerade 14 Kilometer trennen Marokko vom europäischen Festland. Die Ware kann mit Lastwagen innerhalb von drei bis vier Tagen zum Ziel gefahren werden und muss nicht erst, wie im Fall China, per Schiff zwei Monate um die halbe Welt reisen. Marokkanische Fabriken können also kurzfristig auf Kundenwünsche reagieren. Was für Händler und Hersteller aber der wohl entscheidende Vorteil ist: Marokko macht’s günstiger. Hier lässt sich oft noch billiger produzieren als in Asien. Menschenrechtlern bereitet das Kopfschmerzen. Sie vermuten in marokkanischen Textilfabriken ähnlich schlechte Arbeitsbedingungen für die Näherinnen wie in Bangladesch.

Mindestlohn für Näherinnen: 200 Euro

Dem widerspricht Christiane Schultz entschieden. Die Deutsche ist vom Fach. Seit drei Jahren berät sie von Casablanca aus den marokkanischen Modeverband Amith in Sachen Exportmarketing. „In den Fabriken wird viel für die Näherinnen getan“, sagt Schultz. Damit meint sie Mindestlöhne von 200 Euro und einen Trend zu ökologisch und damit für alle Beteiligten schonend produzierter Bekleidung, mit der sich Marokko als Modeland profiliere. Keine Chemie, lieber Garn aus Biowolle.

Marken und Konzerne wie Zara, Diesel, Miss Sixty oder die Metro-Gruppe lassen bereits in Marokko fertigen – wenn auch längst nicht immer Öko-Mode. Und der Markt wird größer: 2011 war das Exportgeschäft nach Deutschland 158 Millionen Euro schwer, innerhalb eines Jahres hatte es um 33 Prozent zugelegt. Wie wichtig die Modeproduktion auch für die Wirtschaft Marokkos ist, zeigt diese Zahl: Fast jeder Zweite, der in Marokko in der Industrie beschäftigt ist, arbeitet in der Bekleidungsindustrie. „Das Land profitiert vom Aufschwung der Modebranche und baut seine Infrastruktur aus“, erzählt Christiane Schultz. Ab Ende 2015 soll der Schnellzug TGV von Casablanca bis in die nördliche Küstenstadt Tanger fahren, damit die Hosen und Hemden noch schneller Richtung Europa reisen können.

24 Hersteller im Fashionhaus

Die zunehmende Bedeutung von Marokko hat sich bis in die deutsche Modehauptstadt herumgesprochen. Das Mode-Marketing-Team um Margit Jandali hatte kürzlich zu der Messe „Maroc in Mode“ ins Düsseldorfer Fashionhaus geladen. 24 Hersteller stellten den Besuchern ihre Produkte vor. Ein Gipfel der guten Laune.

Davon lassen sich Kritiker nicht beeindrucken. Die Wuppertalerin Christiane Schnura kämpft im Auftrag der „Kampagne für saubere Kleidung“ für bessere Arbeitsbedingungen in Problemländern. Marokko zählt sie dazu. Sie berichtet von einer Bezahlung, die eher Hohn als Lohn ist: „Marokko ist nicht besser, aber auch nicht schlechter als andere Billiglohnländer.“ Ihrer Meinung nach könnte ein überschaubarer Preisaufschlag die größten Probleme beseitigen: „Aktuell gehen bloß 0,8 bis 1,2 Prozent des Verkaufspreises als Lohn an die Näherin. Centbeträge könnten die Frauen retten.“