Veröffentlicht inWirtschaft

Deutsche Post macht bald Supermärkten im Ruhrgebiet Konkurrenz

Deutsche Post macht Supermärkten im Ruhrgebiet Konkurrenz

20120509_WAZ_DHL__MG_1397.jpg
Andrej Busch, DHL Foto: Jakob Studnar
Die Deutsche Post will im großen Stil bundesweit in den Versand von Lebensmitteln einsteigen. Das Projekt der Konzerntochter DHL startet derzeit im Ruhrgebiet. Doch bislang sind Versuche, den Versand von Lebensmitteln in Deutschland zu etablieren, in der Branche gescheitert.

Bonn/Essen. 

Noch verschickt der Branchenriese DHL vor allem Bücher, Kleidung oder Schuhe. Zunehmend sollen es auch Lebensmittel sein. „Bis zum Jahr 2015 wollen wir in allen deutschen Ballungsräumen im Online-Lebensmittelhandel aktiv sein“, kündigt Andrej Busch, der Chef des deutschen Paketgeschäfts von DHL, an. „Nach dem Pilotprojekt in Köln starten wir jetzt durch, und wir beginnen dabei im Ruhrgebiet. Seit Anfang Juli liefern wir in Städten wie Bochum, Gelsenkirchen, Essen, Mülheim, Duisburg und Dortmund Lebensmittel aus.“

In unserem Interview äußert sich DHL-Manager Busch auch zu den Plänen für neue Packstationen, zur Kritik an den Arbeitsbedingungen in der Branche und zum wichtigen Standort Bochum.

Der Online-Handel ist ein riesiges Wachstumsgeschäft. Allein DHL transportiert in Deutschland pro Werktag etwa 3,2 Millionen Pakete – darunter jede Menge Bücher, CDs, Kleidung und Schuhe. Doch Versuche, den Versand von Lebensmitteln in Deutschland zu etablieren, sind in der Branche bislang gescheitert. Warum eigentlich?

Andrej Busch: In großem Stil Lebensmittel frisch, kühl und kostengünstig bis zur Haustür zu bringen, ist eine komplexe Aufgabe – gerade angesichts der niedrigen Preise im deutschen Einzelhandel. Der Lebensmittelversand ist gewissermaßen der Mount Everest der Privatkundenlogistik. Wir versuchen gerade, diesen Berg zu erklimmen.

Haben Sie keine Angst, dass Sie dabei abstürzen?

Busch: Nein, denn wir gehen sehr konzentriert und Schritt für Schritt vor. Wir haben genau analysiert, wie die Geschäftsmodelle in anderen Ländern funktionieren. In England zum Beispiel werden schon rund fünf Prozent der Lebensmittel im Internet gekauft, in Deutschland erst 0,2 Prozent. Das Potenzial für unser heimisches Geschäft ist also riesengroß. Unsere Zielgruppen sind vor allem junge Familien, aber auch ältere Menschen, die ihre Einkäufe nicht mehr selber tragen möchten. Es ist doch sonderbar, dass sich viele Leute Bücher nach Hause schicken lassen, aber den 30-Kilo-Sack mit Hundefutter noch Woche für Woche selber schleppen.

Möchte DHL den Supermärkten den Rang ablaufen?

Busch: Es geht eher um eine Ergänzung bestehender Angebote. Praktisch alle großen Lebensmittelhändler bauen derzeit Online-Shops auf. Wir arbeiten beispielsweise mit REWE online zusammen. Auch Anbieter wie Biodirekt oder Mytime gehören zu unseren Partnern. Außerdem sind wir direkt am Online-Lebensmittelhändler Allyouneed beteiligt. Unser Ziel ist es, dem Lebensmittel-Versand in Deutschland zum Durchbruch zu verhelfen. Wir sind fest davon überzeugt, dass die Menschen zunehmend auch Dinge des täglichen Bedarfs im Internet bestellen – gerade auch Drogerieartikel und Lebensmittel.

Ihre potenziellen Kunden werden aber kaum den ganzen Tag auf die Lieferung ihres Einkaufs warten wollen.

Busch: Bei einem Pilotprojekt in Köln haben wir ein Modell erprobt, das von den Kunden angenommen wird. Die Zustellung der Lebensmittel erfolgt in den Abendstunden. Kunden können zwischen den Zeitfenstern 18 bis 20 Uhr und 20 bis 22 Uhr wählen – oft am Tag der Online-Bestellung, spätestens am darauffolgenden Tag. Die Waren befinden sich wie beim Einkauf im Supermarkt in Plastiktüten, die wir in gekühlten Mehrwegboxen transportieren. Der Kurierdienst nimmt die Boxen dann wieder mit.

Hört sich nach einer teuren Veranstaltung an.

Busch: Oft müssen die Kunden keine Versandkosten zahlen, bei Allyouneed zum Beispiel ab einem Einkauf mit einem Preis von 40 Euro.

Bleibt es bei Nischenveranstaltungen wie in Köln?

Busch: Keineswegs. Bis zum Jahr 2015 wollen wir in allen deutschen Ballungsräumen im Online-Lebensmittelhandel aktiv sein. Nach dem Pilotprojekt in Köln starten wir jetzt durch, und wir beginnen dabei im Ruhrgebiet. Seit Anfang Juli liefern wir in Städten wie Bochum, Gelsenkirchen, Essen, Mülheim, Duisburg und Dortmund Lebensmittel aus. Auch hier können die Kunden zwischen den Zeitfenstern 18 bis 20 Uhr und 20 bis 22 Uhr wählen. Im Herbst wollen wir auch in Berlin starten.

Warum nur Ballungsräume und nicht auch ländliche Gebiete?

Busch:

Auf dem Land bevorzugen wir andere Lösungen. Im kommenden Jahr werden wir Paketkästen anbieten, für die es in ländlichen Regionen mehr Platz gibt als in Metropolen. Wer sich für einen – allerdings kostenpflichtigen – Paketkasten entscheidet, kann sicher sein, dass ihn eine Sendung jederzeit und direkt erreicht.

Stichwort Packstationen: Warum gelingt es DHL oft nicht, dass die Sendungen an der gewünschten Packstation ankommen?

Busch:

Meist gelingt es ja, aber hin und wieder müssen wir ein Paket umleiten, wenn eine Packstation vollständig belegt ist. Wir sind uns der Problematik bewusst und haben reagiert. Derzeit bauen wir massiv neue Packstationen auf, und wir ersetzen kleinere durch größere Anlagen. Allein in diesem Jahr erweitern wir unser Netz von 2500 auf 2650 Packstationen. Die Kapazität steigt insgesamt von 230.000 auf 250.000 Fächer.

Damit Empfänger die Paketsendung zu Hause nicht verpassen, wollen Sie ihre Kunden jetzt per Mail oder SMS über den Liefertermin informieren. Angegeben wird allerdings ein Zeitraum von vier Stunden. Ist das nicht ein wenig lang?

Busch:

Wir haben mit dem Service gerade erst begonnen. Und ich denke, wir können uns noch steigern. Wir wollen unsere Kunden nicht enttäuschen und haben uns realistische Ziele gesetzt. In den nächsten Jahren wird es möglich sein, den Zeitraum auf eine Stunde zu beschränken.

Innerhalb des Konzerns Deutsche Post DHL gehört das Paketgeschäft zu den Wachstumsbereichen. Während immer weniger Menschen Briefe schreiben, wächst die Zahl der Paketlieferungen. Wird der Trend auf absehbare Zeit so weitergehen?

Busch: Klar ist: Beim Online-Handel, den es in dieser Ausprägung gerade einmal seit rund 15 Jahren gibt, stehen wir noch ganz am Anfang. Derzeit finden etwa neun Prozent des gesamten Einzelhandels im Internet statt, 91 Prozent erfolgen über das klassische Filialnetz des stationären Handels. Entsprechend groß ist das Wachstumspotenzial für E-Commerce. In Deutschland rechnen wir mit einem Wachstum im Paketgeschäft von fünf bis sieben Prozent pro Jahr.

Welche Rolle spielen dabei das Ruhrgebiet und speziell der Standort Bochum?

Busch: Auf dem ehemaligen Nokia-Gelände in Bochum haben wir vor einigen Wochen eine neue mechanisierte Zustellbasis in Betrieb genommen. Dort zählen wir rund 100 Mitarbeiter. Die Basis Bochum ist auch wichtig, damit wir über unser Kuriernetz eine rasche Auslieferung der Lebensmittel gewährleisten können – möglichst noch am Tag der Bestellung. In Ratingen und Dinslaken entstehen übrigens gerade ähnliche Standorte.

Die Expansion von DHL geht weiter. Ist auch eine Ansiedlung auf dem Werksgelände von Opel in Bochum denkbar?

Busch: Wir suchen in ganz Deutschland nach Flächen, vor allem in Nähe von Innenstädten. In Obertshausen, nahe Frankfurt am Main, bauen wir beispielsweise derzeit Europas größtes Paketzentrum auf rund 160.000 Quadratmetern. Auch an Rhein und Ruhr wollen wir weiter expandieren.

Regelmäßig wird Kritik an den Arbeitsbedingungen für Paketzusteller laut. Zu Recht?

Busch: Keine Frage: Zusteller zu sein, ist ein harter Job. Das muss sich auch bei den Gehältern bemerkbar machen. Im Schnitt verdienen unsere Leute zwischen 16 und 17 Euro pro Stunde. 98 Prozent unserer Beschäftigten in der Paketzustellung sind fest bei uns angestellt. Wir sehen es sehr kritisch, dass andere Paketdienste zum Teil deutlich niedrigere Löhne zahlen als wir und über Subunternehmer beziehungsweise Stücklöhne den Wettbewerb verzerren. Das ist nicht fair – weder den Beschäftigten gegenüber noch den Wettbewerbern innerhalb der Branche.