Die Wirtschaft brummt, Betriebe suchen Fachkräfte. Eigentlich sind das gute Zeiten für Berufseinsteiger. Doch noch immer gehen in NRW Tausende Schulabgänger leer aus bei der Lehrstellensuche und drehen danach Runden in diversen Warteschleifen. Dennoch: Auch junge Leute, die einen niedrigen oder gar keinen Schulabschluss haben und schlechte Noten, können ihre Chancen deutlich verbessern. Die WAZ hat Experten gefragt, wie das geht.
Essen.
Timo (18) aus Essen hat’s geschafft. Er hat eine Lehrstelle als Koch. Dabei wäre Timo ein typischer Kandidat für die „Warteschleife gewesen: Hauptschulabschluss, mäßige Noten – nicht gerade die Pole Position für den Berufsstart. „In unserer Klasse haben zwei von 30 einen Ausbildungsplatz gefunden. 15 sind in die Oberstufe gegangen, der Rest ins Berufskolleg“, erzählt Timo.
Auf dem Weg ins Ausbildungs-Glück hat Timo Nachhilfe bekommen. Vom Verein „Paten für Arbeit in Essen“. Den gibt es schon seit 2001, und er hat seitdem viel geleistet: 480 Patenschaften gab es bisher, 160 Mädchen und Jungs haben mit Vereinshilfe dauerhaft den Sprung ins Berufsleben geschafft. Timos Pate heißt Horst Führes. Der 62-Jährige war früher im Management der Telekom. Heute kümmert sich der Bottroper um Leute wie Timo. Er öffnet ihnen viele Türen. „Aber durchgehen müssen die Jugendlichen schon selbst“, sagt Führes. Und: „Ohne Motivation läuft gar nichts.“
Die WAZ hat Horst Führes und Werner Salzburger, Berufsberater bei der Arbeitsagentur Oberhausen, um Tipps für Leute gebeten, die es als Bewerber nicht leicht haben.
Rat von Profis: „Wer einen Ausbildungsplatz finden will, der hat auch trotz schlechter Noten Chancen. auch im Handwerk“, sagt Salzburger. Bewerber müssen sich Adressen von potenziellen Arbeitgebern besorgen. Die Berater der Arbeitsagentur klären, welche Berufe für einen Schulabgänger überhaupt in Frage kommen. Sie checken Bewerbungsunterlagen und vermitteln auch Ausbildungsplätze. Schulabgänger sollten sich auf jeden Fall bei der Arbeitsagentur Ausbildungsplatz suchend melden. Dann kommen sie eventuell in die Förderprogramme.
Internet: Unter www.planet-beruf.de gibt es detaillierte Berufsbeschreibungen und Tipps für die Bewerbung. Aktuelle Angebote findet man in der Jobbörse unter arbeitsagentur.de.
Später Einsteig: Auch jetzt, im Juni, ist es nicht zu spät für Bewerbungen. Manche Arbeitgeber melden freie Lehrstellen erst spät. Der Vorteil: Jetzt ist die Konkurrenz nicht mehr so groß.
Klinken putzen: Das ist jenen zu empfehlen, die keine guten Noten haben. Bewerber sollten auf ein ordentliches Outfit achten, ihre Mappe einpacken und einfach in die Betriebe gehen, die Ausbildungsplätze anbieten. Gerne auch in solche, in denen die Eltern Kunden sind. Man sollte auch Freunde und Verwandte aktivieren. Vor dem Klinkenputzen sollte man sich aber gut über die Firmen und den Wunschberuf informieren.
Klein einsteigen: Wenn jemand kein gutes Zeugnis hat, dann ist eine Bewerbung bei kleinen Firmen sinnvoller. „Bei kleinen Firmen spielt der persönliche Kontakt eine große Rolle“, sagt Werner Salzburger. Es müssen ja nicht immer gleich die Telekom, Siemens oder Opel sein. In großen Unternehmen gibt es strenge Vorgaben bei der Auswahl von Bewerbern. Kleine Firmen verzichten oft auf Einstellungstests.
Lehre ist besser als Schule: Die Lehrstelle sollte das Ziel Nummer eins sein. „Die Ausbildung hat Priorität, nicht das Berufskolleg“, sagt Horst Führes.
Alternativen: Wenn es mit der Lehrstellensuche nicht klappt, ist eventuell ein EQ-Praktikum eine Alternative, ein Jahrespraktikum, an, die so genannte Einstiegsqualifizierung. Jjeder Ausbildungsbetrieb kann dieses Angebot machen. Auch die Arbeitsagentur vermittelt Langzeitpraktika. Weitere Alternativen. Leute ohne Schulabschluss oder mit einem Hauptschulabschluss Klasse 9, die berufsschulpflichtig sind, können ein Werkstattjahr absolvieren. Schüler mit besseren Noten können sich für eine berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme (BVB) entscheiden. Das Berufskolleg ist immer eine Alternative, aber ein echter Ausbildungsplatz bringt oft mehr Vorteile. Wer sich für Alternativen interessiert, der sollte einen Termin mit der Berufsberatung vereinbaren: Tel.: 01801/555111)
Früh anfangen: Spätestens ein Jahr vor Ausbildungsbeginn, also gegen Ende des 9. Schuljahres, sollten Bewerbungen geschrieben werden für größere Unternehmen. In kleinen Betreiben sollte man sich erst erkundigen, wann Bewerbungen sinnvoll sind. Nach zwei bis drei Wochen sollten Bewerber selbst nachhaken, was aus ihrer Bewerbung geworden ist. Im Handwerk kommt es manchmal ganz gut an, wenn die Eltern dieses Nachhaken (und nur das Nachhaken) übernehmen. Denn grundsätzlich gilt: Bewerben muss man sich schon selbst.
Plan B: Bewerben kann man sich nicht so nebenbei. Man muss sich Ziele setzen und einen Plan machen: Was will ich in den nächsten Wochen erreichen? Es ist auch gut, einen Plan B in der Tasche zu haben: Zum Beispiel die Anmeldung am Berufskolleg, für ein freiwilliges soziales Jahr oder für eine berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme (BvB)
Arbeit statt Freizeit: Vielleicht der wichtigste Tipp: Schüler sollte schon ab Ende der 8. Klasse freiwillige (!) Berufspraktika machen.
Durchhaltevermögen ist wichtig. Jeder Vierte bricht eine Ausbildung ohne Begründung ab.
Der Verein „Paten für Arbeit in Essen“ sucht Menschen mit Berufserfahrung, die Patenschaften übernehmen. Kontakt unter Tel. 0201/ 88-88025.