Die Mehrheit hat in Oberhausen entschieden. Die Bahn-Abstimmung zeigt, dass Bürgerentscheide bei Großprojekten heikel sind. Ein Kommentar.
Oberhausen.
Die Mehrheit der Wähler hat die finanziellen Risiken der neuen Straßenbahnlinie 105 größer als die wirtschaftlichen Chancen für Oberhausen und als der Nutzen für Stoag-Kunden gewertet. Das ist bedauerlich. Damit bleibt das städteübergreifende Nahverkehrsnetz schlecht, damit fließen Gelder von über 60 Millionen Euro an Oberhausen vorbei.
Der bundesweite Trend scheint sich zu verstetigen: Wenn Bürger direkt entscheiden dürfen, urteilen sie in der Regel Struktur-bewahrend – lieber nichts ändern, als Risiken einzugehen. Doch eine Großstadt kann nur vorwärts kommen, wenn diese bereit ist, kalkulierte Unsicherheiten zu riskieren.
Dazu gehört auch, dass die Politik mutig voranschreitet. Die Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP, eigentlich Befürworter der Linie 105, traute sich nicht, diese in der Bevölkerung so umstrittene Entscheidung alleine im Rat zu verantworten. Vor allem die SPD sorgte sich, im anstehenden OB-Wahlkampf der CDU- und BOB-Opposition Futter zu geben – und so oder so vielleicht einen Bürgerentscheid auszulösen. Doch was ist nun gewonnen?
Nein zur Linie 105 schwächt politisch das gesamte Ruhrgebiet
Kein Signal des Aufbruchs in Oberhausen, keine neue Chance fürs Stahlwerksgelände – und politisch fuhr die SPD die dritte Niederlage in Folge ein: Erst das dicke Minus bei der Ratswahl, dann der nachhaltige Verlust des Wahlbezirks Sterkrader Heide und jetzt das Aus für eine wichtige Infrastrukturmaßnahme. Wie stehen wohl jetzt die Chancen für die Oberbürgermeister-Wahl?
Selbst bei diesem heiklen Bahn-Projekt mit der ach so gewünschten Bürgerbeteiligung fiel man in alte Muster zurück: Das Gutachten wurde nicht breit veröffentlicht, die Kosten des Werbefeldzugs für die Linie 105 wurden nicht offengelegt. Fehler, die Misstrauen säten.
Das Nein zur Linie 105 hat politisch das gesamte Ruhrgebiet geschwächt. Wenn nächstes Mal ein Trupp von Ruhrgebiets-Oberbürgermeister in Berlin darüber klagt, der Bund tue zu wenig fürs Revier, braucht die Kanzlerin nur auf die Linie 105 zu zeigen.