Kleine Handwerksbetriebe beginnen oft zu spät mit der Suche nach Lehrlingen. Die Tischlerei Willi Figgen macht dies anders.
Essen.
Am Montag beginnt in vielen Essener Betrieben das neue Ausbildungsjahr. Auch im Tischlerbetrieb Willi Figgen in Altendorf werden vier junge Leute ihre neue Lehrstelle antreten – drei angehende Tischler und eine Bürokauffrau.
Doch längst ist die Fensterbau-Firma wieder auf der Suche nach Azubis für das nächste Jahr. Zwei Tischler-Lehrlinge will der Familienbetrieb im August 2016 einstellen. Das Werbeprospekt, in dem sich das Unternehmen kurz vorstellt und den Ausbildungsberuf beschreibt, ist schon fertig gedruckt.
Junge Menschen sind schwieriger zu begeistern
Für einen Handwerksbetrieb ist die Tischlerei früh dran. Während Willi Figgen schon für 2016 sucht, haben viele Unternehmen ihre Ausbildungsverträge für dieses Jahr noch nicht mal unter Dach und Fach. Bis Ende Juni waren erst 280 Ausbildungsverträge im Essener Handwerk unterschrieben. Die Kreishandwerkerschaft hofft jedoch, dass es bis Ende September insgesamt 800 bis 850 sein werden. Oftmals werde bemängelt, dass sich das Handwerk erst spät um passenden Nachwuchs kümmere, räumt Ulrich Meier, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft ein. Dass es anders geht und dies auch keine Frage der Betriebsgröße ist, beweist die Tischlerei Figgen mit ihren 21 Mitarbeitern. „Zu hoffen, dass am 29. Juli noch der passende Bewerber vor der Tür steht, das funktioniert nicht“, sagt Brigitta Figgen, die Tochter des Inhabers Willi Figgen.
Schon vor einigen Jahren spürte der Familienbetrieb, dass es immer schwieriger wurde, „junge Leute für uns zu begeistern“, meint Brigitta Figgen, die mit ihrem Bruder Thomas im elterlichen Unternehmen arbeitet. Alle jungen Leute, die Tischler werden wollen, würden am liebsten Möbel bauen wollen. Doch bei Figgen liegt der Schwerpunkt eben auf Fenstern – das lockt erst einmal weniger Interessenten an.
Schüler werden in den Ferien zum Praktikum eingeladen
Deshalb muss sich die Firma zum einen frühzeitig nach Nachwuchs umschauen und zum anderen auch jungen Leuten eine Chance geben, deren Zeugnis nicht erste Güte ist. Ein Azubi, der am Montag beginnt, arbeitete fast ein Jahr zunächst über eine Einstiegsqualifikation im Betrieb. Jetzt ist er soweit, dass man eine Ausbildung starten könne, heißt es. Auch während der Ausbildung werden bei Willi Figgen immer wieder einmal Lehrlinge mit Nachhilfeunterricht gefördert, wenn der Berufsschulabschluss in Gefahr ist.
Die Tischlerei hält Kontakt mit mehreren Hauptschulen. In den Herbstferien werden Schüler zum Praktikum eingeladen. Auch Lehrer rufen von dort schon mal an und werben für ihre Schüler. Bei der Ausbildungsbörse der Arbeitsagentur war die Tischlerei in diesem Jahr das erste Mal dabei – mit Erfolg. Einer der jungen Männer, den Brigitta Figgen dort kennenlernte, beginnt nun seine Lehre.
„Wenn der Kalender 2016 zeigt und wir noch keine Bewerber haben, dann werde ich langsam nervös“, sagt Brigitta Figgen. Die Azubi-Suche ist anstrengend. Aber sie lohnt sich für den Betrieb, der seit 75 Jahren existiert und in dieser Zeit rund 100 junge Menschen ausgebildet hat.