Die heiße Phase im Straßen-Wahlkampf hat begonnen. Nur wenn am Abend des 3.Februar mindestens 6.680, also 15 Prozent aller Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben haben, ist der Bürgerentscheid gültig und der Straßenstreit entschieden. Die Parteien werben für ihre Positionen.
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„Die sind für die Umbenennung? Komm, da brauchen wir gar nicht stehen zu bleiben“, sagt der ältere Herr und zieht seine Frau weg von den Politikern von SPD, Grünen und Linken, die sich an diesem Samstagmorgen am Rüttenscheider Stern postiert haben. Ein anderer bleibt stehen, sucht das Gespräch mit Grünen-Bürgermeister Rolf Fliß – er unterstütze die Entscheidung der Bezirksvertretung, die Von-Einem- und die Von-Seeckt-Straße in Irmgard- und Ortrud-Straße umzubenennen.
Wenige Meter weiter hat sich Dirk Kalweit mit seinen Parteifreunden von der CDU aufgestellt und wirbt für die Beibehaltung der alten Namen. „Das Bürgerbegehren mit 6000 Unterschriften gegen die Umbenennung hat deutlich gezeigt, was die Menschen hier wollen.“ Die heiße Phase im Straßen-Wahlkampf hat begonnen.
6680 Stimmen für eine gültige Wahl
Nur wenn am Abend des 3. Februar mindestens 6.680, also 15 Prozent aller Wahlberechtigten in Rüttenscheid, aber vor allem in Stadtwald, Bergerhausen und Rellinghausen ihre Stimme abgegeben haben, ist der Entscheid gültig. Direkt betroffen sind rund 1.080 Bürger – die Anwohner der beiden Straßen. Von-Einem-Straße-Anwohner Patrick Janz ist deshalb skeptisch. „Wenn ich nicht selbst betroffen wäre, würde mich das Thema kaum interessieren.“ Dennoch werde er Freunde und Bekannte im Bezirk motivieren, zur Stimmenabgabe zu gehen – und für den Erhalt des Straßennamens zu stimmen. „Die Zeit für Behördengänge kostet mich weit mehr Geld als die angegebenen elf Euro für die KFZ-Ummeldung.“
Für das andere Kreuzchen wirbt hingegen der Bundestagsabgeordnete Kai Gehring am Grünen-Stand. Grundsätzlich sei es wichtig, dass der Bürger den Entscheid nutze. „Mitzudiskutieren und zu entscheiden, das ist lebendige Demokratie“, wirbt er für den Urnengang. Mit der Wahl könne ein Thema endgültig entschieden werden, das „den Bezirk seit 30 Jahren beschäftigt“, hofft Günter Hinken, Sprecher der Bürgerinitiative „Ortrud und Irmgard“. Hinken vertritt diejenigen im Bezirk II, die „keine ehrenden Straßennamen für Antidemokraten und Nazi-Unterstützer“ mehr in ihrer Nachbarschaft möchten. Beides treffe auf von Seeckt und von Einem zu. Die Nationalsozialisten benannten die Straßen 1937 zu Ehren der beiden Generäle um. 75 Jahre später sei es an der Zeit, „die zwei unpassendsten Straßennamen im Essener Stadtgebiet zu ändern“, fordert Linke-Ratsherr Wolfgang Freye.
„Dann ziehen wir nach Berlin“
Nicht allen, die von der Entscheidung am 3. Februar betroffen sind, spricht er damit aus der Seele: „Ausradieren statt aufklären – das finde ich den völlig falschen Weg“, sagt Michelle Gaida, Anwohnerin der Von-Seeckt-Straße, die mit Mann und Kind skeptisch den Reden der Politiker auf beiden Seiten zuhört.
Die Bewohner hätten sich nun mit den Personen hinter ihren Straßennamen beschäftigt, das sei gut, doch „was hier jetzt passiert, das zeugt nur von Langeweile. Es gibt viel Wichtigeres in unserer Stadt.“ Sie nennt fehlende Kindergartenplätze als Beispiel. Sollte sich ihre Anschrift wirklich ändern, „dann ziehen wir nach Berlin“. Dort gibt es tolle Spielplätze, sagt die Tochter – und es interessiere niemanden, ob die Straßen nach Hindenburg oder Rosa Luxemburg benannt sind, ergänzt die Mama.