1000 Haushalte in Essen-Kray bekommen Post vom Umweltamt. Die Behörde warnt davor, selbst angebautes Gemüse zu essen, weil es hoch belastet ist.
Essen.
Kleingärtner im Umfeld der Firma Richter in Essen-Kray wissen, dass sie ihr selbstgezogenes Gemüse lieber nicht verzehren sollten, weil es mit dem Umweltgift PCB belastet ist. Nun erweitert die Stadt Essen diese Empfehlung: Auch Anwohner zwischen Bonifaciusstraße, Rotthauser Straße und dem Betriebsgelände an der Joachimstraße sollten lieber die Finger von Grünkohl, Mangold und Endiviensalat aus dem eigenen Garten lassen. 1000 Haushalte bekommen dies von der Stadt in den kommenden Tagen schriftlich. Denn das Landesumweltamt hat in Grünkohlproben aus dem vergangenen Jahr erneut eine überhöhte PCB-Belastung nachgewiesen.
Der mit Abstand auffälligste Wert ist demnach an einer erstmals eingerichteten Messstelle an der Straße Kruckenkamp nachgewiesen worden. Die Wohnstraße liegt unweit des Metallschredders der Firma Richter.
Umweltamt nimmt Proben
Vorsorglich wird das Umweltamt deshalb in den kommenden Tagen Proben der Hauptschule Schetters Busch, an der Bonifaciusschule und an der Kindertagesstätte an der Kellinghausstraße nehmen. Die Behörden gehen nicht davon aus, dass die Außenbereiche der Einrichtungen aufgrund zu hoher PCB-Werte gesperrt werden müssen. Gänzlich ausschließen mochten dies Vertreter des Umweltamt- und des Gesundheitsamtes gestern vor der Presse allerdings nicht. In 14 Tagen soll die Auswertung der Proben vorliegen.
Derweil sieht sich das Landesumweltamt durch die Ergebnisse der Grünkohlbeprobung von 2014 in der Annahme bestätigt, dass die hohen PCB-Werte in Kray von den Metallschreddern der Firma Richter verursacht werden. Schon die Beprobung von Fichtennadeln – auch auf dem Betriebsgelände – im letzten Jahr legte dies nahe. Die Behörden vermuten, dass PCB insbesondere beim Zerkleinern von Elektromotoren freigesetzt wird.
Bürgerinitiative sieht Verdacht bestätigt
Die Bürgerinitiative, die seit 15 Jahren gegen die Schredder mobil macht, sieht sich in ihrem Verdacht bereits bestätigt. „Wir hatten nie einen Zweifel, dass Richter die Quelle ist“, betont Dietrich Keil von der BI. „Eine solche Anlage gehört nicht in ein Wohngebiet.“
Die Firma Richter ist seit 1955 am Ort, der Betrieb genießt Bestandsschutz. Die Kosten für eine Verlagerung an einen anderen, weniger sensiblen Standort müsste allein die öffentliche Hand tragen, gibt Umweltdezernentin Simone Raskob zu bedenken.
PCB steht im Verdacht, Krebserkrankungen auszulösen. 90 Prozent des Giftes wird über die Nahrung aufgenommen, zehn Prozent über die Luft.
Seit 1996 nimmt das Landesumweltamt in Kray Grünkohlproben, um PCB nachzuweisen. Seit 2011 steigen die Werte wieder. Seit Jahren liegen sie deutlich über der so genannten Hintergrundbelastung in NRW.
Die Bezirksregierung sieht durch die jüngsten Messergebnisse allerdings genügend Handhabe, um das Unternehmen mit einer Reihe von Auflagen zu belegen. So drängt die Aufsichtsbehörde unter anderem auf den Einbau einer Befeuchtungsanlage, damit es beim Schreddern weniger stark staubt.
Klage beim Verwaltungsgericht eingereicht
Richter hat gegen die Verfügung der Bezirksregierung Klage beim Verwaltungsgericht Gelsenkirchen eingereicht. Die Geschäftsführung wollte sich gestern dazu auf Anfrage der Redaktion nicht äußern. Offenbar spielt das Unternehmen auf Zeit. Die Bezirksregierung drängt darauf, dass Richter die Auflagen sofort umsetzt. Auch darüber muss das Gericht befinden.
Auch die Menschen in Kray sollen ihr angebautes Gemüse essen können, fordert Essens Umweltdezernentin. Bis es soweit ist, könnte es noch dauern.