Die Affäre um die Entsorgungsbetriebe Essen erinnert immer mehr an ein Tollhaus: OB Paß erklärt der vermeintliche „Persilschein“ für den EX-EBE-Geschäftsführer sei ihm untergejubelt worden und gerät nicht nur wegen seines zögerlichen Krisenmanagements immer stärker unter Druck.
Essen.
Die Affäre um mutmaßliche Günstlingswirtschaft bei den Entsorgungsbetrieben Essen (EBE) schlägt immer höhere Wellen. Und nach den jüngsten Enthüllungen richtet sich die Kritik immer mehr gegen Oberbürgermeister Reinhard Paß selbst. Der setzte sich gestern zu Wehr und lässt die Öffentlichkeit wissen, wie es auf ziemlich abenteuerliche Weise zu dem vermeintlichen „Persilschein“ für Ex-EBE-Chef Kunze gekommen sei.
Das Krisenmanagement des OB nennen CDU und Grüne gleichwohl katastrophal. „Hier wird nicht aufgeklärt, sondern verwaltet, vertagt und Entscheidungen verschleppt“, ereifert sich CDU-Fraktionschef Thomas Kufen. CDU wie Grünen fordern Sondersitzungen von EBE-Aufsichtsrat und Haupt- und Finanzausschuss. Die Linken gehen indes bis zum Äußersten: Sie fordern Paß zum Rücktritt auf. Der OB sei nicht „Teil der Lösung, sondern längst Teil des Problems.“
Die Empörung gilt nicht allein dem Umgang mit den Vorwürfen gegen Ex-EBE-Chef Kunze und den offenen Fragen rund um den lukrativen Beratervertrag des ehemaligen SPD-Ratsherrn Harald Hoppensack. In den Fokus geraten auch Vorgänge, die vor der Amtszeit von Reinhard Paß liegen, gleichwohl aber mit seiner Person und Funktion als Aufsichtsratsvorsitzender eng verbunden sind.
Kunze erhielt für Nebentätigkeit 1000 Euro pro Monat
So erhielt Ex-EBE-Chef Kunze im Jahr 2008 eine Abfindung in Höhe von nicht weniger als 281.000 Euro und einen Pensionsanspruch in Höhe von 100.000 Euro dafür, dass er vorzeitig seinen Hut nahm bei der EVV Verwertungs- und Betriebs GmbH (EVB), einer kleinen städtischen Tochter, die 2005 aus der EBE hervorgegangen war. Der Vorsitzende des EBE-Arbeitsausschusses, der für die EVB die Funktion des Aufsichtsrates ausübte, hieß seinerzeit Reinhard Paß. Die Interessen des städtischen Gesellschafters EVV vertrat nach WAZ-Informationen Andreas Hillebrand, heute Interims-Geschäftsführer der EBE.
Den Job als Geschäftsführer der EVB hatte Klaus Kunze damals in Personalunion inne – gegen eine, „geringe Aufwandsentschädigung“, wie es hieß. Dem Vernehmen nach erhielt Kunze für seine Nebentätigkeit 1000 Euro pro Monat. Umso fürstlicher erscheint heute so manchem die damals getroffene Abfindungsvereinbarung. Empörung darüber wird aber erst jetzt laut, mehr als fünf Jahre danach.
Kunze hatte seine Stuhl übrigens für Wolfgang Fröhlich, ehemals Büroleiter von Oberbürgermeister Wolfgang Reiniger (CDU), geräumt. Fast zeitgleich wechselten die Fraktionsgeschäftsführer von SPD und Grünen sowie der Personalratsvorsitzende der Stadt zur EVV; von einem „Pesonalpaket“ war die Rede. Im Rat kritisierte Paß als Vorsitzender der SPD-Fraktion damals die Neubesetzung bei der EVB. Die Tochtergesellschaft, die sich unter anderem um die Wochenmärkte und den städtischen Fuhrpark kümmert, hielt er gar für überflüssig – was ihn als Aufsichtsratsvorsitzender offenbar nicht davon abhalten sollte, Kunze den Abschied zu vergolden.