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Die Nachtfalken sind für die Essener Stricher da – egal ob mit Kaffee oder Kondomen

Die Nachtfalken sind für die Essener Stricher da – egal ob mit Kaffee oder Kondomen

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Der Diplom-Sozialpädagoge Manuel Hurschmann arbeitet seit 2010 beim Nachtfalken. Foto: Jana Gilfert
  • Hast du im Pott schon mal was von männlicher Prostitution mitbekommen?
  • In Essen gibt es aber nicht nur einen männlichen Straßenstrich
  • „Nachtfalke“, die Anlaufstelle für Stricher in Essen klärt auf – und hilft

Essen. 

Wenn du das Wort Stricher hörst, denkst du vielleicht an 13-jährige Jungs, die am Hauptbahnhof vor den Toiletten stehen. Ein älterer Geschäftsmann in Anzug und mit Aktenkoffer läuft vorbei. Ein kurzer Blickwechsel und der Junge verschwindet hinter dem Mann in der Toilette.

Halten diese Vorurteile der Realität Stand? Manuel Hurschmann vom „Nachtfalken“ lässt uns in die Welt der männlichen Prostitution in Essen blicken. Er betreut das Projekt der Aidshilfe Essen e.V.

Immer mehr verabreden sich im Internet

Sex gegen Geld – etwa 250 bis 300 Stricher gibt es in Essen, schätzt der Diplom-Sozialarbeiter und Leiter des „Nachtfalken“. Nicht alle bieten ihre Dienste auf der Straße an – ungefähr 160 Essener verabreden sich online.

Und zwar auf einschlägigen Dating-Seiten. Laut Hurschmann machen viele der Jungs auf solchen Portalen ihre Dates klar und treffen sich dann mit den Freiern.

Genaue Zahlen hat er dazu nicht. Doch der Schwulen-Strich verlagert sich für ihn merkbar ins Internet. Die Menschen dahinter sind real – haben echte Probleme.

Und damit können sich dann an den „Nachtfalken“ wenden.

Nachtfalke fängt auf

Das Team hinter dem Projekt kennt die Jungs. Sie helfen und unterstützen bei grundlegenden Problemen im Alltag. Von Seelsorge über ärztliche Versorgung bis zum Gang aufs Amt. Und das schon seit 16 Jahren.

Damals hatte das Projekt direkt auf dem Straßenstrich begonnen – Streetwork draußen bei den Jungs mit Gesprächen, Kondomen, Kaffee. Das macht das Team auch heute noch – zweimal die Woche steht der Bus unterm „Wackel“. So wird der Männer-Strich genannt. Warum ist nicht klar.

Der unsichtbare Straßenstrich

Den genauen Ort, verrät Hurschmann nicht. Aber in der Nähe des Bahnhofes soll er sein – unter einer Brücke. Tagsüber eine nackte Betonlandschaft, nachts belebter Männertreff.

Ob Familienvater oder Stammfreier – „gecruised“ wird im Schutz des Dunkeln. Cruisen ist ein Szenewort für Prostitution. Der Strich: für uns eine geheimnisvolle Parallelwelt. Doch eigentlich ist sie das nicht.

Die Anlaufstelle: ein Ort zum Runterkommen

Genauso wie die Freier sind die Jungs vom Strich Menschen, die mitten aus dem Leben kommen. Die einen: Studenten, die sich den Abschluss finanzieren müssen. Die anderen: Jungs mit schwerer Kindheit, die mit einem Blow-Job den nächsten Schuss Heroin bezahlen.

Ob Straßenstricher oder Call-Boys im Internet, die zentrale Anlaufstelle des Nachtfalken in der Innenstadt steht allen offen. Viermal die Woche können die Jungs tagsüber in die Räume des Vereins.

Vom Frühstück bis zur psychosozialen Betreuung

„Die meisten Stricher haben eine Wohnung“ erzählt Hurschmann. Es geht also nicht nur darum, dass die Jungs ohne Obdach dort ihre Wäsche waschen oder duschen können, sondern auch um ein Stückchen Zuhause.

Gemeinsame Ausflüge, Spiele- und Filmabende, Hilfe bei der Wohnungssuche und Schuldenregulierung: Das Nachtfalken-Team unterstützt die Jungs in ihrem Alltag, ohne sie zu verurteilen. Und es gibt den jungen Männern Halt.

Denn eines gibt es in der Szene wirklich genug, sagt Manuel Hurschmann: Einsamkeit.

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