Am Wochenende wurde in Essen vor zwei Behelfseinrichtungen für Flüchtlinge demonstriert. Die Kundgebungen verliefen ohne Zwischenfälle. Doch in Frintrop zeigte sich, dass die Stimmung in der Nachbarschaft noch immer aufgeladen ist. Der Runde Tisch will nun vermitteln.
Essen.
Die geplante Behelfseinrichtung für Flüchtlinge in der ehemaligen Walter-Pleitgen-Schule in Frintrop sorgt weiter für Unruhe in der Nachbarschaft und stellt die Stadt langfristig vor Herausforderungen.
Das zeigte sich auch am Samstag, als die ausländerfeindliche Splitterpartei „Pro NRW“ auf ihrer Propaganda-Tour durchs Ruhrgebiet in Frintrop Station machte. Nach einem kurzen Auftritt, der durch linke Gegendemonstranten erfolgreich gestört wurde, reiste die Truppe weiter nach Kupferdreh. Dort sind in der Dilldorfschule bereits erste Kriegsflüchtlinge aus Syrien untergekommen. Um die traumatisierten Menschen zu schützen, hielt die Polizei hier rechte wie linke Demonstranten auf Abstand zu der Schule; der Schlagabtausch fand an einem Kreisverkehr statt.
Wütende und Wohlmeinende
In beiden Stadtteilen gab es keine Vorfälle, doch als die Transparente eingerollt und der Reisebus mit den rechten Hetzern abgefahren war, blieb die Wut in Frintrop zurück. Viele Anwohner der Straße Im Neerfeld leben unmittelbar gegenüber der aufgegebenen Pleitgen-Schule; sie wollen nicht akzeptieren, dass hier bald Flüchtlinge Obdach finden. Die Schulmauer haben sie mit üblen Parolen beklebt: „Herzlich willkommen! Hier in Deutschland können Sie abkassieren, stehlen, sich im Supermarkt satt essen. . .“ Zwischen ihre Häusern und die Schule haben sie ein Transparent gespannt: „Stadt Essen hintergeht Frintroper Bürger“.
So empfinden es viele hier, so sagt es Michael Scheele, dessen Tochter im nächsten Jahr nicht zur Pleitgen-Schule gehen kann: „Die ist ja zu, also wird ihr Schulweg lang. Und jetzt steckt man in die Schule so viel Geld wie nie zuvor. Die Politiker lassen uns allein!“ Auch andere Anwohner sehen das Asylheim nur als weiteres Zeichen eines Niedergangs: „Die Post ist weg, Läden fehlen, bald haben wir hier Dreck und Kriminalität – dann wird das ein sozialer Brennpunkt.“ In Dilldorf, behauptet Scheele, seien ja jetzt schon bettelnde Roma-Kinder unterwegs. Seine Frau Jutta nickt: „Wenn wir sowas sagen, gelten wir gleich als Rechtsradikale.“
„Wir müssen hier täglich Gerüchte dementieren“
Hartmut Peltz seufzt, der Büroleiter von Sozialdezernent Renzel blickt auf das unfreundliche Transparent: „Wir müssen hier täglich Gerüchte dementieren.“ So haben sie im September auf einer Bürgerversammlung dargelegt, dass die 250.000 Euro nicht in den Luxus-Umbau der Schule fließen, sondern vor allem in einen Duschcontainer… Der wird Anfang November erstmals benutzt werden, wenn Syrer wie Roma in die Schule ziehen. „Wenn die da sind und mit ihnen die Betreuung, werden sich die Gemüter beruhigen“, hofft Peltz.
Ute Hegh jedenfalls hält schon ein Bobbycar für die Kinder bereit. Sie wohnt Im Neerfeld und ist besorgt, „dass es eine Zerreißprobe in der Nachbarschaft gibt“. Leicht sei es nicht, sich zu der Behelfseinrichtung zu bekennen. „Man muss die Sorgen der Nachbarn ernst nehmen und zwischen ihnen vermitteln“, sagt Ralf Oyen, der den Runden Tisch in Frintrop leitet. Die Verwaltung werde die Anwohner einladen, die umgestaltete Schule anzusehen. Er hoffe, dass danach die bösen Parolen entfernt werden.
Das mag arg optimistisch klingen, doch in Kupferdreh scheint dieser Wandel gelungen zu sein. Vor einem Jahr gab es eine tumultöse Bürgerversammlung und großen Argwohn. „Doch schon beim zweiten Treffen haben alle gefragt, wie sie helfen können“, sagt Jürgen Gentzmer vom Runden Tisch Dilldorf. „Hier laufen auch keine bettelnden Kinder ‘rum, hier bringen Nachbarn Spielzeug und Kleidung in die Einrichtung.“ In Kupferdreh stellen am Samstag nicht die wütenden, sondern die wohlmeinenden Nachbarn die Mehrheit.