Essen.
„Ich bin zu alt für diese Scheiße!“
Nach 30 Jahren als Rettungssanitäter ist das nicht das Motto von Horst Heckendorn (53), dafür aber der Titel seines ersten Buches. Darin beschreibt er seine unglaublichen, aber wahren Erfahrungen aus drei Jahrzehnten im Rettungsdienst in Deutschland und der Schweiz.
Rettungssanitäter wird zum Bestsellerautor
Dass der gebürtige Badener vom Rettungssanitäter zum Bestsellerautor wurde, liegt an einem Erlebnis, dass er selbst als sein „persönliches 9/11“ beschreibt.
Den 26. Januar 2013 wird Horst Heckendorn nicht mehr vergessen. „Frau und Kind sprechen nicht mehr“, lautet die Meldung, die bei der Leitstelle einging. Ein Einsatz wie Hunderte. Scheinbar. Heckendorn und Kollege kommen vor Ort an. Mit seinem Notfallrucksack klingelt Heckendorn. Ein älterer Herr öffnete die Tür – mit durchgeladener Waffe in der Hand. Ein 38er Trommelrevolver ist mitten ins Gesicht von Horst Heckendorn gerichtet.
„Ich hatte das Gefühl, die Zeit bleibt stehen. Ich habe gesehen, dass sich seine Lippen bewegen, aber nichts verstanden“, erinnert sich der Sanitäter an diesen Moment. Ganz langsam stellt er seinen Notfallrucksack ab und dreht sich um. „Bloß keine hektischen Bewegungen“, ermahnt er sich und geht langsam zurück Richtung Rettungswagen. Im Kopf das Schicksal seiner Frau und der bereits bezahlte Thailand-Urlaub. Jeden Moment in Erwartung des tödlichen Schusses.
„Der Weg wurde länger und länger, ich hatte den Eindruck, ich bin zwei Stunden unterwegs, dabei waren es höchstens Sekunden“. Dann endlich Deckung hinter dem Rettungswagen. „Der war in diesem Moment wirklich mein ‚Rettungs‘-Wagen“, erzählt Heckendorn. Polizisten können den Mann später überwältigen.
Es stellt sich heraus: der ältere Herr war ein hochgradig dementer Rentner. Eine Frau und Kind in Not hat es nie gegeben.
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Psychologin bringt ihm zum Schreiben
Auch wenn Heckendorn schon vorher in seiner Zeit als Notfallsanitäter viel erlebt hat, lässt ihn dieser Vorfall nicht mehr los. „Ich hatte fünfmal täglich Flashbacks.“ Psychologische Betreuung schlägt er zunächst aus. Doch irgendwann hört der von Freiburg in die Schweiz emigrierte Notfallsanitäter auf seine Frau und seinen Chef und geht zu einer Psychologin. „Ich habe vorher noch scherzhaft gesagt: wenn sie einen Faltenrock und Brille trägt, bin ich gleich wieder raus.“
Doch bei Daniela Heimberg, einer Koryphäe in ihrem Bereich, stimmt die Chemie auf Anhieb. Und als sie ihm die Hausaufgabe gibt, das Erlebte aufzuschreiben, nimmt die Karriere als Buchautor ihren Lauf.
Und was hat es mit dem Buchtitel „Ich bin zu alt für diese Scheiße“ auf sich? „Ich schreib eben etwas derbe und bin großer Bruce Willis-Fans, nicht nur optisch“, lacht Heckendorn. „Da hab ich mir den Titel ausgeliehen“. Über 50.000 Mal wurde sein Erstwerk schon verkauft. Mit „Man wird nicht jünger durch den Scheiß“ knüpft sein 2017 erschienenes Fortsetzungswerk an den ersten Titel an. Das dritte Rettungssanitäter-Buch ist schon in Planung.
Job voller Gegensätze
In seinem Job als Rettungssanitäter ist er mit Gegensätzen konfrontiert: „Mal sind wir in der Villa, wo alles vergoldet ist, und im nächsten Einsatz beim Obdachlosen mit fauligen Zähnen unter der Brücke“, fasst es der 53-Jährige zusammen.
Wie viele seiner Kollegen beobachtet auch er einen traurigen Trend. „Der Respekt vor Institutionen und die guten Sitten sind weg, alle sind auf Aggro gebürstet“, so der Deutsch-Schweizer. „Die Polizei wurde schon früher angefeindet. Aber der Rettungsdienst, das waren doch die ‚Good Guys‘, die einfach nur helfen wollten. Heute werden wir auch angefeindet.“ Heckendorn stellt bei sich fest, dass ihm die Einsätze im Alter näher gehen als früher.
Das Schreiben hilft da beim Verdauen des Erlebten. Dass dies mitunter nötig ist, zeigt eine Story über einen Verkehrsunfall, zu dem er gerufen wurde. Ein Autofahrer hatte einen geparkten Wagen touchiert und war abgehauen. Zeugen hatten die Szene beobachtet und die Verfolgung aufgenommen. Der Flüchtende landete bei der Verfolgungsjagd im Maisfeld, sein 3er BMW hatte sich überschlagen. Die Verfolger machten sich ihrerseits aus dem Staub.
„Kopf leer wie ein ausgehöhlter Kürbis“
„Der Fahrer war nicht angeschnallt gewesen, ihn hatte es wie ein Wäschestück in dem Auto hin -undhergeschleudert. Er lag unter dem Auto“, erinnert sich Heckendorn. Als er ihn genauer inspizierte, sah er eine sichelförmige Öffnung am Hinterkopf. „Der Kopf war leer wie ein ausgehöhlter Kürbis“. Das Hirn sollte später ein Feuerwehrmann im Maisfeld finden, nachdem er darauf ausgerutscht ist.
Bei so viel Horror braucht es auch ein Schuss Humor. Schwarzen Humor, wie es Heckendorn nennt. Darauf dürfen sich die Zuhörer am 14. September im Notfallpädagogischen Institut in Essen (Müller-Breslaustraß. 30a) freuen. Dann liest Horst Heckendorn aus seinen beiden Büchern.