- Zahlreiche Roma-Familien wurden nach Räumungswelle in Marxloh ausquartiert
- Augenzeugen berichten über hartes und rücksichtsloses Vorgehen der Ordnungskräfte
- Stadt Duisburg wehrt sich gegen die Vorwürfe – Einsätze dienten dem Schutz der Mieter
Duisburg.
Die „Task-Force-Problemimmobilien“ der Stadt Duisburg hat in den vergangenen zehn Tagen zwei Häuser wegen mutmaßlicher Unbewohnbarkeit oder mutmaßlicher Brandschutzmängel räumen lassen.
Zwei Häuser an der Hagedornstraße wurden komplett geräumt, an einem weiteren Haus in der Hagedornstraße und einem Haus in der Henriettenstraße gab es ebenfalls Einsätze des Sonderaußendienstes des Ordnungsamtes und der Polizei. OB Sören Link und die verantwortliche Dezernentin Daniela Lesmeister wollen Mitte der Woche die Öffentlichkeit informieren.
Fast ausschließlich rumänische Familien betroffen
Betroffen von den Maßnahmen sind fast ausschließlich rumänische Familien, die der Volksgruppe der Roma angehören. Während die Stadt argumentiert, es handele sich um Einsätze, die in Einklang mit dem Wohnungsaufsichtsgesetz NRW stünden, beklagen Betroffene und Augenzeugen hartes und rücksichtsloses Vorgehen der eingesetzten Ordnungskräfte. Gegen die Stadt sind mittlerweile Klagen von Vermietern und Betroffenen anhängig.
Karl-August Schwarthans, Geschäftsführer der Awo-Integrations gGmbH, ist schockiert. Ihn erinnere die Vorgehensweise der Stadtspitze, „an ganz finstere Zeiten. Alles, was wir in Duisburg gegen Diskriminierung unternommen haben, wird gerade zu einer absoluten Lachnummer.“
„Zu uns kamen sie nach 22 Uhr“, sagt Lucia M. (Name der Redaktion bekannt), die mit fünf Kindern und Ehemann auf der Henriettenstraße wohnt. Alle Kinder der Roma-Mutter besuchen die Schule, lernen fleißig und erfolgreich Deutsch. Eigentlich eine Roma-Vorzeigefamilie. Als solche jedenfalls wurden Lucia, ihr Mann und die Kinder noch Ende Juni dem NRW-Integrations-Staatssekretär Thorsten Klute vorgestellt, als dieser in Marxloh zu Gast war.
Grund für Räumung soll nicht genannt worden sein
Die Gäste, die Lucia in der vergangenen Woche hatte, kamen ungebeten. Etwa 15, 20 Personen seien schreiend in die 55 Quadratmeter große Wohnung eingedrungen, sagt Lucia: „Die haben an die Tür getrommelt, haben den Kindern Riesenangst eingejagt“, sagt Lucia: „Sie riefen: Raus, alle raus!“
Lucia sagt, sie habe den Einsatzkräften angeboten, Papiere zu zeigen, die belegen sollten, dass die Familie legal hier lebe: „Die haben mich und die Kinder gepackt und nach draußen gezerrt.“ Den Grund der Räumung, beteuert die Frau, habe ihr niemand erklärt.
Augenzeugen bestätigten gegenüber unserer Redaktion, dass Frau und Kinder ohne Jacken, Decken und Schuhe vor die Türe gesetzt wurden. Dann hätten Mitarbeiter einer städtischen Tochtergesellschaft ins Haus gegangen.
Zahlreiche Menschen übernachteten daraufhin im Freien
Beobachtet hatten den Menschenauflauf und das Getümmel in der Henriettenstraße auch der stellvertretende SPD-Bezirksbürgermeister Claus Krönke, ein Awo-Mitarbeiter und eine für Migranten engagierte Bürgerin. Zeugen schilderten der Redaktion, dass die Familie wieder in die Wohnung gelassen wurde, nachdem Krönke interveniert habe. Claus Krönke selbst wollte sich dazu öffentlich nicht äußern.
Ähnliches geschah in den vergangenen Tagen in drei Häusern auf der Hagedornstraße. Zwei Häuser wurden komplett geräumt. Im Umfeld der Hagedornstraße übernachteten am vergangenen Wochenende zahlreiche Menschen im Freien und in Autos.
Einsätze richteten sich gegen Vermieter von Schrottimmobilien
Die Stadt Duisburg betont, dass die Einsätze dem Schutz der betroffenen Mieter gelten würden. Die Einsätze richteten sich gegen die Vermieter von Schrottimmobilien. Auch seien bei allen Maßnahmen Dolmetscher eingesetzt und den Familien Ausweichquartiere für zwei Nächte angeboten worden.
„Grundsätzlich müssen sich die Mieter, so sie denn EU-Bürger sind, selbstständig neue Wohnungen oder Unterkunftsmöglichkeiten suchen“, schreibt das Pressereferat der Stadt, „droht allerdings Obdachlosigkeit, handelt die Fachstelle für Wohnungsnotfälle.“
Einige ausquartierte Roma-Familien waren von der Stadt für zwei Nächte an die Asylunterkunft Koopmannstraße überwiesen worden. Dort standen sie dann am Sonntag vor verschlossenen Türen.