Weitere Flüchtlinge in NRW – 5000 Plätze sollen entstehen
Geradezu begeistert wurden die Flüchtlinge empfangen – so viele wie noch nie an einem Tag. Weitere werden erwartet, Unterkünfte werden gebraucht.
Dortmund/Düsseldorf.
Nach der zahlenmäßig bislang größten Anreise von Flüchtlingen nach NRW sind in der Nacht zum Montag weitere Zuwanderer angekommen. Nach Polizeiangaben trafen 105 Menschen mit der Bahn in Düsseldorf ein. Sie seien mit Bussen weiter zu einer Aufnahmestelle nach Hamm gebracht worden. Ihre Ankunft sei ohne Probleme verlaufen.
Am Sonntag waren weit mehr als 2000 Flüchtlinge mit Zügen in NRW angekommen – so viele waren es noch nie an einem Tag. Sie trafen in Dortmund ein, wo Hunderte freiwillige Helfer sie freundlich empfingen und mit Essen und Getränken versorgten.
Das Innenministerium erwartet weiterhin eine große Zahl von Flüchtlingen. Minister Ralf Jäger (SPD) erklärte, die Schaffung von Unterbringungsplätzen habe jetzt höchste Priorität. In den nächsten Tagen sollten weitere Kapazitäten in der Größenordnung von 5000 Plätzen geschaffen werden. Jäger wies die Bezirksregierungen am Sonntagabend an, ihre Krisenstäbe einzusetzen. „Ohne NRW bricht das Aufnahmesystem in Deutschland zusammen. Das gilt es zu verhindern“, warnte Jäger in einer Mitteilung.
Dortmunds Oberbürgermeister Ullrich Sierau (SPD) bedankte sich am Sonntagabend für das Engagement der Bürger bei der Unterstützung der Flüchtlinge. Er rechne damit, dass die Stadt weiterhin Drehscheibe für die Verteilung der Asylsuchenden bleibe. „Sie steht für die weitere humanitäre Hilfe bereit, erwartet aber auch anderswo im Land entsprechende Strukturen“, sagte Sierau.
Welle der Hilfsbereitschaft
Die Nachricht der bevorstehenden Ankunft hatte schon am späten Samstagabend eine Welle der Hilfsbereitschaft ausgelöst. Am Sonntagvormittag kamen neben Dortmunds Oberbürgermeister Ullrich Sierau auch Polizeipräsident Gregor Lange und Landesinnenminister Ralf Jäger an den Hauptbahnhof.
Der erste Zug mit rund 200 Flüchtlingen traf gegen 8.40 Uhr in Dortmund ein. Ein zweiter Zug mit rund 1100 Menschen kam gegen 10.30 Uhr an. Ein dritter Zug brachte gegen 16 Uhr nochmal 250 Flüchtlinge. Später korrigierte die Stadt Dortmund die Zahlen auf insgesamt 1900 Flüchtlinge, am Abend dann sprach Dortmunds OB Ulrich Sierau von insgesamt 2500 Flüchtlingen, die am Sonntag in Dortmund angekommen waren.
Hunderte Helfer warteten in der Nacht zu Sonntag im Hauptbahnhof auf die Ankunft der Züge. Sie machten sich nützlich, indem sie teilweise in eindrucksvollen Menschenketten Sach- und Lebensmittelspenden verluden. Sie wurden von der Feuerwehr ins Dietrich-Keuning-Haus (eigentlich eine Skater- und Veranstaltungshalle) gebracht, das nur fünf Minuten Fußweg vom Bahnhof entfernt ist. Die Helfer von Feuerwehr und Hilfsorganisationen werden auch von Kräften aus Hamm, Hagen und dem Märkischen Kreis unterstützt.
Im Keuning-Haus ist ein Versorgungszentrum für die bis zu 1400 erwarteten Flüchtlinge eingerichtet. Von hier aus sollen sie mit Bussen in Unterkünfte und Notquartiere in ganz Nordrhein-Westfalen transportiert werden. Denn die Erstaufnahme-Einrichtung des Landes für Asylbewerber in Dortmund-Hacheney bietet nur 350 Plätze und ist ohnehin überbelegt. Das Land hat deshalb neben weiteren vier Erstaufnahme-Einrichtung und 21 Zwischenunterkünften in Zusammenarbeit mit den Kommunen inzwischen mehr als 120 Notquartiere geschaffen.
Zwei Familien aus Syrien und dem Irak waren schon in der Nacht eingetroffen, weil sie sich selbstständig mit einem ICE von München auf die Reise nach Dortmund gemacht hatten. Sie wurden ebenfalls ins Dietrich-Keuning-Haus geleitet. Ein Kind musste wegen des Verdachts auf Lungenentzündung in die Kinderklinik eingeliefert werden.
30 Rechte demonstrierten auf der Katharinentreppe
Überschattet wurde der Einsatz für die Flüchtlinge am Hauptbahnhof von einer Kundgebung von knapp 30 Rechtsextremisten gegen die Aufnahme von Asylbewerbern, die unter lautem Gegenprotest an der Katharinentreppe stattfand. Die Demo war gegen 3 Uhr spontan angemeldet worden.
Zu Auseinandersetzungen kam es, als die Polizei versuchte, die Neonazi-Gruppe durch die volle Bahnhofshalle zur S-Bahn zu eskortieren. Linke Gegendemonstranten wollten das mit einer Sitzblockade verhindern. Augenzeugen berichten, die Polizei sei mit der Situation überfordert gewesen. Auch von Bisswunden durch mehrere Polizeihunde ohne Maulkorb berichten linke Helfer per Twitter. Schließlich wurden die Rechten über die Außentreppe geführt und die Abfahrt der S-Bahn auf ein anderes Gleis verlegt.
Die Polizei rechtfertigt ihre Taktik: Die Rechtsextremisten hätten durch den Bahnhof zur S-Bahn geleitet werden müssen, weil zu der späten Uhrzeit keine alternativen Verkehrsmittel mehr gefahren seien. Laut Polizei wurden drei Beamte, ein Demonstrant und ein Unbeteiligter verletzt. Vier Personen kamen in Gewahrsam.
Brandstiftung an Flüchtlingsunterkunft in Kemminghausen
Gegen 2.20 Uhr versuchten zudem Brandstifter, Feuer in einer geplanten Flüchtlingsunterkunft in Dortmund-Kemminghausen zu legen. Ein Zeuge hatte Scheibenklirren gehört – kurz darauf drang Rauch aus der ehemaligen Schule am Gretelweg. Zu einem offenen Feuer sei es aber nicht gekommen, erklärt die Polizei. Das Gebäude soll künftig als Asylunterkunft genutzt werden, ist aber noch nicht umgebaut.