Traditions-Spielzeugläden in Duisburg und Dortmund schließen
Klassische Fachgeschäfte haben kaum noch eine Chance haben gegen den wachsenden Internethandel und die Ketten. Mit Roskothen in Duisburg und Lütgenau in Dortmund schließen zwei Traditionshäuser. Selbst mit einem „Spiel des Jahres“ machte ein Händler nur noch 27 Euro Gewinn.
Dortmund/Duisburg.
Die Regale sind bunt gefüllt. Brettspiele, Spielzeugautos, Puppen und Baukästen leuchten in verschiedensten Farben. Noch bunter sind die Prozentschilder, die darüber hängen: Ausverkauf. Seit 75 Jahren gibt es Spielwaren Lütgenau am Dortmunder Ostenhellweg, Ende Juni geht Geschäftsführer Andreas Mehls in den Ruhestand. Einen Nachfolger hat er nicht gefunden. „Wenn das Geschäft läuft, findet man immer einen Käufer,“ sagt Mehls. Heißt im Umkehrschluss: Es läuft nicht.
Dabei geht es der Spielwarenbranche insgesamt nicht schlecht. In den vergangenen fünf Jahren ist der Umsatz um fast ein Fünftel gestiegen, auf 2,7 Milliarden Euro in 2012. Allerdings wuchsen nur der Internethandel und die großen Ketten, nicht die kleinen Fachhändler.
Auch in der Duisburger Innenstadt schließt eine Koryphäe des Spielwarenhandels. Boris Roskothen macht seinen Laden dicht, nach 134 Jahren des Familienbetriebs. Er sieht zwei entscheidende Probleme: den Internethandel als immer stärkere Konkurrenz und die zunehmende Beeinflussung der Kunden durch die Medien.
Beides hängt zusammen. „Das beeinflusst ja nicht nur unsere Branche, aber hier ist der Umbruch ganz extrem. Wir sind abhängig von den Kindern, und auch die werden von Werbung immer stärker beeinflusst“, sagt Roskothen. Da Kinder sich fast nur noch das Spielzeug wünschten, „das alle haben“, brauchen viele den Spielwarenhändler vor Ort nicht mehr. Dessen Beratung und die Möglichkeit, etwas Besonderes anzubieten, ist nicht mehr gefragt, er wird zum Abholladen degradiert. Roskothen selbst sagt ehrlich: „Dann sind die Kunden im Internet besser aufgehoben.“
Das sehen viele Kunden genauso. Ein Argument ist die schnelle Lieferung nach Hause, noch wichtiger ist der Preis. Im Internet werde teilweise unter Einkaufspreis verkauft, so Roskothen. Eine „Preisschlacht“ sei das. „Verdrängungswettbewerb“ nennt es Andreas Mehls.
18 Cent Gewinn pro Spiel des Jahres
Verlierer dieses Wettbewerbs sind die stationären Händler. Sie können kein Paroli bieten, so Mehls: „Wir haben 40.000 Artikel im Sortiment. Die ins Netz zu stellen, können wir uns nicht leisten.“ Man brauche dazu neue Logistik, anderes Personal. Der Kapitaleinsatz sei für Mittelständler zu hoch.
KinderAuch beim Preis ist Konkurrenz fast unmöglich, wie Roskothen anschaulich erklärt: „Qwirkle war Spiel des Jahres 2011. Entsprechend stark wurde es beworben und auch bei uns oft gekauft. Letztlich habe ich damit einen Gewinn von 27 Euro erzielt.“ Bei gut 150 verkauften Spielen sind das 18 Cent pro Stück. Wer beim Preis mitgehe, verdiene nichts mehr. „In dem Moment, wo ein Mitarbeiter das Spiel ins Regal räumt, ist der Ertrag im Prinzip schon aufgebraucht“, sagt Roskothen über die Bestseller.
Wo das Geld der nach wie vor spielfreudigen Deutschen heute hinfließt, verdeutlicht Werner Lenzner vom Spielwaren-Marktforschungsinstitut Eurotoys: „Nahezu das komplette Umsatzwachstum seit 2008 haben wir dem Onlinehandel zu verdanken.“ Um sage und schreibe 108 Prozent ist er in dem Zeitraum gewachsen. Der stationäre Handel legte nur um fünf Prozent zu, die kleinen Fachhändler verloren sogar acht Prozent. Ihnen bleibt noch etwa ein Achtel vom großen Kuchen, im Internet wird bereits doppelt so viel umgesetzt.
Wie sieht die Zukunft aus?
Die Ergebnisse dieser Entwicklung sind sichtbar: Inhabergeführte Spielzeugläden schließen bundesweit, bald wird es sie kaum noch geben. Aber wie sieht dann die Zukunft aus? Andreas Mehls sieht nicht komplett schwarz: „Die Verkaufseinheiten werden in Zukunft deutlich kleiner sein, und spezialisierter.“ Ein großes Sortiment mit entsprechendem Ladenlokal sei dagegen nicht mehr wirtschaftlich.
Roskothen denkt ähnlich: „In Frankreich gibt es ein anderes Modell – in einer Innenstadt habe ich fünf verschiedene, kleine Spielzeugläden gefunden. Die hatten nahezu keine Überschneidung in ihrem Sortiment – und keiner führte Lego oder Playmobil.“ Kleine Läden hätten sich spezialisiert, beispielsweise auf Drachen oder Jonglierzubehör.
Das macht ihm Hoffnung für die Zukunft. Pläne geschmiedet hat er schon: „Es ist möglich, dass ich mich spezialisiere, zum Beispiel auf Brettspiele.“ Sein Laden in der jetzigen Form hat allerdings keine Zukunft mehr. Innerhalb der nächsten beiden Jahre wird er schließen.