Im Verfahren gegen Ex-Envio-Chef Dr. Dirk Neupert und drei weitere Mitarbeiter der Skandal-Firma warf die Staatsanwaltschaft der Verteidigung Prozessverschleppung vor. Die Anwälte reagierten empört.
Dortmund.
Es war ein kurzer Prozesstag, doch er hatte es in sich: Im PCB-Verfahren gegen Ex-Envio-Chef Dr. Dirk Neupert und drei frühere Mitarbeiter der Recyclingfirma Envio warf Staatsanwalt Dr. Marc Sotelsek der Verteidigung am Montag Prozessverschleppung vor – die Anwälte reagierten entsprechend empört.
„Das Verhalten der Verteidigung zeigt deutlich, dass sie kein Interesse daran hat, dem Beschleunigungsgrundsatz nachzukommen“, erklärte der Vertreter der Anklagebehörde. Er beantragte, dass weitere Ablehnungsanträge bezüglich der Besorgnis der Befangenheit eines Arztes bis spätestens dem 15. Februar gestellt werden dürfen.
Sorge der Befangenheit
Zur Erklärung: Die Verteidigung will verhindern, Prof. Thomas Kraus, Leiter des Instituts für Arbeits,- und Sozialmedizin der Universät Aachen, als Sachverständigen zu hören. In einer der größten Studien zu den möglichen gesundheitsschädigenden Folgen von PCB, die es je gegeben hat, untersucht sein Institut seit August 2010 rund 300 frühere Envio-Beschäftigte, ihre Familien sowie Anwohner aus dem Umfeld der geschlossenen Firma im Hafengebiet.
Die GiftfirmaAls „sachverständiger Zeuge“ hatte Prof Kraus während einer Verhandlung im Dezember erklärt, eine „Kausalitätsprüfung“ zwischen dem Vorhandensein erhöhter PCB-Werte im Blut und möglichen gesundheitlichen Schädigungen sei noch längst nicht abgeschlossen, das könne Jahre dauern.
Verteidigung bezeichnet Vorwurf als „lächerlich und kindisch“
Dass die Verteidigung mehrmals beantragte, Prof. Kraus als Sachverständigen aus Sorge der Befangenheit abzulehnen, „gefährde den Ablauf der Beweisaufnahme“, so Staatsanwalt Dr. Marc Sotelsek. Aus den Krankenakten ergebe sich, betrachte man die „Symptomkomplexe“, durchaus ein schlüssiges Bild. Und dann nahm der Vertreter der Anklagebehörde das böse Wort „querulatorisch“ in den Mund.
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Die Gegenseite schoss zurück: „Wenn hier einer verschleppt, dann ist das doch die Staatsanwaltschaft durch ihre Rolle rückwärts im Oktober“, wetterte Rechtsanwalt Harald Wostry, Verteidiger eines weiteren Ex-Envio Managers. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft sei daher „lächerlich und kindisch“.
„Wenn einer hier verschleppt, dann die Staatsanwaltschaft“
Bis zu jenem Prozesstag im Oktober hieß es nämlich, man wolle die 51 potentiell geschädigten Envio-Arbeiter untersuchen lassen. Dann plötzlich hatte die Staatsanwaltschaft erklärt, sieben weitere Gutachter zu der Frage hören zu wollen, ob überhaupt ein Wert des giftigen Isoliermittels PCB benannt werden könne, ab dem ein bestimmtes Krankheitsrisiko bestehe.
Ex-Envio-Chef Dr. Dirk Neupert und ein früherer Manager müssen sich seit Mai 2012 wegen Körperverletzung von 51 Arbeitern sowie schweren Umweltverstößen auf der Anklagebank der 35. Großen Strafkammer verantworten. Zwei weiteren damaligen Mitarbeitern wird Beihilfe zu Umweltverstößen vorgeworfen