Zehn Jahre Dortmunder Konzerthaus. Anfangs war die Tonhalle mitten in der City nicht überall beliebt. Inzwischen ist das Haus kaum noch umstritten und genießt selbst nationales Ansehen. Ein Gespräch mit Benedikt Stampa, dem die Stadt jüngst eine Vertragsverlängerung bis 2018 anbot. Er nahm an.
Dortmund.
Anfangs umstritten, heute eine Institution. Dortmunds Konzerthaus feiert im September sein Zehnjähriges. Blumen für den Intendanten gab es jüngst in Form einer vorzeitigen Vertragsverlängerung bis 2018. Lars von der Gönna sprach mit Benedikt Stampa im Gespräch über Anspruch, Anbiederung und die Projekte von Hamburg und Bochum.
Wenn Sie sagen sollten, was dieses Haus im zehnten Jahr ist, welche Begriffe müssten unbedingt fallen?
Benedikt Stampa: Nähe. Akustik. Anspruch. Die Nähe meint nicht nur die Lage mitten in der Stadt. Sie bedeutet, dass ein Haus der Hochkultur an den Menschen dicht dran sein muss, die hier leben. Wir verstehen unser Haus nicht als Musentempel.
Akustik, weil es eine eigene Klangqualität hat. Unsere Akustik bewegt die Künstler, die bei uns spielen und sie bewegt das Publikum. Und kulturellen Anspruch: Seit Eröffnung des Hauses lassen wir uns von der Maxime des höchsten Qualitätsanspruchs leiten.
Das Konzerthaus als „Bestandteil des Leben“
Akustik und Anspruch helfen wenig, wenn man die Nähe der Menschen nicht gewinnt.
Stampa: Klar. Ich möchte hier den Begriff der „Relevanz“ einbringen. Wir wollen den Menschen das Gefühl geben, dass das Konzerthaus Dortmund ein normaler und wichtiger Bestandteil ihres täglichen Lebens ist. Es versteht sich in architektonischer und programmatischer Hinsicht als Repräsentant eines neuen Dortmund. Unsere Aufgabe ist es, das Konzerthaus zu einem Bestandteil der Alltagskultur der Menschen im Ruhrgebiet werden zu lassen.
Höchstens 15 Prozent der Menschen haben Zugang zu Klassik. Ihr Rückhalt ist dennoch größer…
Stampa: Stimmt, das haben wir geschafft. Die Menschen haben eine emotionale Beziehung zu ihrem Konzerthaus. Sie sind stolz auf das Haus, selbst wenn sie gar nicht hingehen. So wie sie stolz sind auf ihren BVB.
„Klassische Musik muss man sich erarbeiten“
Müssen Sie sich keiner Elite-Diskussion stellen?
Stampa: Wir können und wollen Kunst nicht verharmlosen. Klassische Musik, etwa eine große Mahler-Sinfonie, ist etwas, das man sich auch erarbeiten muss.
Keine niedrigschwelligen Angebote, auch künftig nicht?
Stampa: Wir richten uns zwar nach dem Grundsatz aus: „Du musst das Publikum abholen, wo es steht.“ Aber einen Schritt in unsere Richtung muss es schon selber machen. Wir werden uns nicht anbiedern, wir sind nicht Klassik-Radio. Und wir merken über die Jahre, dass das Publikum bereit ist, diesen Schritt zu tun.
„Man spricht Tacheles hier.“
Obwohl es den Kommunen schlecht geht, hört man niemanden, der Ihr Haus abschaffen will.
Stampa: Nein, diese Debatten gibt es Gott sei Dank nicht. Und wir erleben auch keine Diskussionen über städtische Zuwendungen.
Sie sind ein Zwei-Meter-Mann, haben den Händedruck eines Zehnkämpfers. Hilft es, kein Samtpfötchen zu sein, in diesen Zeiten?
Stampa: Die Menschen hier sind relativ bodenständig. Die klare, zupackende Art wird geschätzt. Man spricht Tacheles, und das gilt auch für die Politik. Vielleicht ist das der Grund, warum ich mich im Ruhrgebiet so wohlfühle.
Musik als besonderes Kapital
Sie gehen in die neue Spielzeit mit kurioser Werbung. Da ist von Investment die Rede, von Kapital und Rendite…
Stampa: Wir haben darüber ausführlich diskutiert. Musik gilt ja als Kunstgattung, die flüchtig ist. Was bleibt also? Das Konzerthaus, das Internationale, das wir in Gestalt großer Musiker nach Dortmund holen, musikalische Erlebnisse in Form von Erinnerung. Es ist eine Schicht, die nach und nach wächst. Nach zehn Jahren ist sie noch nicht sehr dick, aber sie bleibt: Kultur. Das ist eine großartige Art von Reichtum, und darum mochten wir die Idee, Musik als besonderes Kapital zu bewerben: geistigen Reichtum. Im Kontext der Bankenkrise fanden wir es nicht falsch, an andere Werte zu erinnern.
Ihrem Haus geht es gut. Andernorts bangt man. In Bochum hört man nicht auf, anzufangen. In Hamburg fängt man nicht an, aufzuhören. Wo sehen Sie „Bochumer Symphonie“ und „Elbphilharmonie“?
Stampa: Wenn sich in Bochum die Politik an das Konzept hält, was sie befürwortet hat, sehe ich es als unproblematisch. Dort geht es ja nicht um aufwendigen Gastspielbetrieb, sondern um ein gutes Haus für die Bochumer Symphoniker und das städtische Musikleben. Eine gute Mannschaft muss eben auch ein gutes Stadion zur Verfügung haben.
„Die Elbphilharmonie kann ein unglaubliches Signal sein“
Und Hamburg?
Stampa: In Hamburg hat die Euphorie eines eindrücklichen Bildes die tatsächlichen Möglichkeiten zunächst überfordert. Man sollte erst über das künftige Musikleben einer Stadt nachdenken und dann über den dazu passenden Saal. Wenn die Elbphilharmonie aber eröffnet wird, 2015, wird es für das Musikleben ein unglaubliches Signal sein.
Sie glauben also in den neuen Sälen von Hamburg und Bochum eines schönes Tages sitzen und Musik hören zu können?!
Stampa: Ja, in Bochum und auch in Hamburg.