Er ist die treibende Kraft hinter der Übernahme des Essener Energiekonzerns durch mehrere Ruhrgebiets-Stadtwerke: Guntram Pehlke, Sozialdemokrat, Oberst der Reserve. Pehlke verteidigt die Operation Steag-Kauf, auch wenn Kritiker von einem abenteuerlichen Manöver sprechen.
Dortmund.
Bei seinem derzeitigen Lieblingsthema geht Guntram Pehlke gern in die Offensive. „Jedes Geschäft trägt Risiken in sich“, hält der Vorstandsvorsitzende der Dortmunder Stadtwerke all jenen entgegen, die die Übernahme des Essener Kraftwerksbetreibers Steag durch eine Gruppe von Ruhrgebietsstadtwerken für einen Ritt auf der Rasierklinge halten. Wer jedes Risiko vermeiden wolle, der dürfe halt keine Geschäfte machen. Und dann, so führt Pehlke seinen Gedanken weiter, dürften Städte nicht einmal Stadtwerke betreiben.
Guntram Pehlke, 53 und Sozialdemokrat, weiß, wie man Geschäfte macht. Vor allem weiß Pehlke, wie man Geschäfte, die andere als „Deal“ deklassieren, noch plausibel als seriös verkauft. Dass sich Stadtwerke aus sechs hochverschuldeten Ruhrgebietskommunen die Evonik-Tochter Steag unter den Nagel reißen, einen rein privatwirtschaftlichen Global Player der Energiewirtschaft mit einem Kraftwerkspark, der sich von den Philippinen bis nach Kolumbien erstreckt, das ist für Pehlke am Ende nichts anderes als eine vernünftige Absicherung des Kerngeschäfts der städtischen Versorger: „Die Erträge aus unseren Energiebeteiligungen gleichen die Verluste bei Bussen und Bahnen aus.“ Punkt.
Das Prinzip ist aufgegangen
In Dortmund ist dieses Prinzip bislang mehr als aufgegangen. Die Dortmunder Stadtwerke finanzieren nicht nur den gesamten öffentlichen Nahverkehr in der größten Stadt des Ruhrgebiets, sie finanzieren auch ihren hochdefizitären Flughafen.
Guntram Pehlke steht in der Branche derzeit im Rampenlicht. Er ist die treibende Kraft hinter der vollständigen Übernahme der Steag, die in diesen Wochen abgenickt werden soll. 51 Prozent gehören dem Stadtwerkeverbund bereits, die restlichen 49 Prozent sollen bald dazukommen. Kommt das Geschäft zu Stande, hält Dortmund mit 36 Prozent den Löwenanteil an dem Essener Traditionskonzern. Finanziert wird die Transaktion auch durch jene 150 Millionen Euro, die Steag am Kapitalmarkt aufnehmen muss, um die eigene Übernahme überhaupt erst zu ermöglichen. Pehlke hält das für eine kluge Konstruktion, andere für ein aberwitziges Abenteuer.
Einst einfacher Mitarbeiter der Kostenrechnung bei Salzgitter
Pehlke, der sich im Tagesgeschäft gern jovial-locker gibt, mag manche Eigenschaften auf sich vereinen, die man Top-Managern zwangsläufig als Härte auslegt: seine Ungeduld, seinen ausgeprägten Ehrgeiz, der den Diplom-Ökonomen vom einfachen Mitarbeiter der Kostenrechnung bei der Metallgesellschaft Salzgitter zum hochbezahlten Boss der milliardenschweren Dortmunder Stadtwerke-Holding gebracht hat, seine scharfe Ironie im Umgang mit Gegnern und Kritikern. Ein Hasardeur ist der Mann, der in zweiter Ehe Vater von Zwillingstöchtern im Grundschulalter ist, sicher nicht. Eher ein disziplinierter Kopf und Stratege.
Eingeübt hat Pehlke diese Eigenschaften an einer für Genossen eher ungewöhnlichen Front: Pehlke dient – seit über 30 Jahren – als Bundeswehrsoldat. „Aus Überzeugung“ habe er sich dereinst für den „Bund“ entschieden. Pehlke wuchs im Salzgitter der 1960-er und 70-er Jahre auf, damals praktisch Zonenrandgebiet. Den Kalten Krieg konnte man dort leibhaftig in Augenschein nehmen. „Da kommen Sie zu solchen Entscheidungen.“ Außerdem habe die Bundeswehr ihm, der aus einfachen Verhältnissen stammt, ein Studium ermöglicht.
Nebenbei Oberst der Reserve – eine Art Ersatz-Stabschef
Gebracht hat es Pehlke bis zum Oberst der Reserve, dem höchsten Offiziersrang, den die Bundeswehr an Reservisten vergibt. Pehlke ist eine Art Ersatz-Stabschef beim Landeskommando Niedersachsen. Fällt der hauptamtliche Kamerad aus, müsste Pehlke – etwa bei Naturkatastrophen – das Kommando übernehmen. Im Verteidigungsfall würde der Dortmunder innerhalb von 24 Stunden einbestellt. Beharrungsvermögen habe er durch den Militärdienst gelernt, sagt Pehlke. Und Führungsstärke. Beides kann er auch im Zivilberuf gut gebrauchen. Im Stadtwerkekonzern trägt er Verantwortung für Bataillone von Mitarbeitern. Als Aufsichtsratschef der Steag wird von ihm strategische Weitsicht erwartet. Gern in die Offensive zu gehen, kann da nicht schaden.