Veröffentlicht inDortmund

Dortmund: Studentin begleitet sterbende Menschen – DAFÜR fehlt ihr das Verständnis! „Großes Tabuthema“

Eine Dortmunder Studentin geht in ihrer Freizeit einer ungewöhnlichen Beschäftigung nach. Sie begleitet Menschen, die im Sterben liegen.

© IMAGO/Zoonar

Ein Hospiz – was ist das und wie läuft die Behandlung ab?

Wenn keine Behandlung mehr anschlägt, möchten viele schwerkranke Patienten in ein Hospiz. Was das ist, zeigt das Video.

Junge Menschen haben in ihrer Freizeit nur Partys und Alkohol im Kopf? Nicht unbedingt. Denn immer wieder gibt es solche, die neben der Schule, der Ausbildung oder dem Job etwas bewirken wollen.

Eine von ihnen ist Lisa Jessee. Die 27-Jährige aus Dortmund übt in ihrer Freizeit ein Ehrenamt aus, dass viele Menschen in Staunen versetzen dürfte. Denn in ihrer Freizeit begleitet sie Menschen, die dem Tod näher als dem Leben stehen. Als eine von NRW’s jüngsten ehrenamtlichen Hospizbegleiterinnen ist sie in Dortmund und Umgebung unterwegs. Mit DER WESTEN hat sie über ihren Weg ins Ehrenamt gesprochen und verraten, was sie heutzutage beim Thema Tod besonders „schade“ findet.

+++ Lotto-König Chico redet Tacheles über Dortmunder Nordstadt: „Nur Ausländer – Kriminalität ohne Ende“ +++

Dortmund: Oma gab den Anstoß

Schon seit knapp zwei Jahren ist Jessee als ehrenamtliche Mitarbeiterin im ambulanten Hospizdienst tätig. Die Promotionsstudentin, die derzeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität zu Köln tätig ist, fand mit gerade mal 25 Jahren ihren Weg ins – für viele wohl eher ungewöhnliche – Ehrenamt. Ein Interesse für das Thema Altern und Tod hatte sie schon immer. Nicht ohne Grund hatte sie sich nach dem Abi für das Bachelor-Studienfach „Gerontologie“, also Alterswissenschaften, entschieden. Den Anstoß zum Ehrenamt gab dann aber tatsächlich ihre Oma.

„Meine Oma hatte ganz lange Demenz und war auch im Pflegeheim und sie hatte eine Hospizbegleitung, die sie wöchentlich besucht hat. Und das fand ich total schön und ich wollte unbedingt irgendwas ehrenamtlich machen, was auch mit alten Menschen zu tun hat, da ich einfach gerne in Kontakt mit älteren Personen bin.“ Über eine Ehrenamtsplattform kam sie zum Ambulanten Hospizdienst in Dortmund.

Lista Jessee (27) ist in Dortmund ehrenamtlich als Hospizbegleiterin unterwegs. Foto: Privat

Doch ganz ohne Ausbildung funktioniert das Ehrenamt nicht. „Man muss vorher einen Qualifizierungskurs belegen. Das sind so grob geschätzt 80 bis 100 Stunden, die man macht, das zieht sich auch fast über ein halbes Jahr“, erklärt die 27-Jährige im Gespräch mit DER WESTEN. In dem Kurs lerne man nicht nur die Rolle als Hospizbegleiter kennen, sondern auch Grundsätzliches zum Sterbeprozess und dem Umgang mit Personen, die im Sterben liegen.

Erste Todeserfahrung mit Patient war „sehr intensiv“

Schon drei Personen hat Lisa Jessee auf ihrem letzten Weg begleitet. Besonders ihre erste Todes-Erfahrung mit einem Patienten ist ihr dabei bis heute in Erinnerung geblieben. „Meine erste Begleitung bei einem 90-jährigen Mann war schon sehr sehr intensiv, da ich auch seine Frau kurz kennengelernt hatte. Es war auch relativ plötzlich, dass er verstorben ist. Ich war dann auch noch mal da und habe mich nochmal von ihm verabschiedet“, erinnert sich die Dortmunderin. „Ich hab‘ mich tatsächlich eher für ihn gefreut, weil er auch einfach keinen großen Lebenswillen mehr hatte. Auch nachdem seine Frau verstorben ist. Als ich dann gehört habe, dass er eingeschlafen ist, war ich fast schon ein bisschen erleichtert.“

Rund zwei bis drei Stunden in der Woche ist Jessee in der Regel als Sterbebegleiterin tätig. Bislang hat sie nur ältere Menschen in Pflegeheimen besucht, geht mit diesen spazieren und unterhält sich mit diesen. In erster Linie soll das Ehrenamt Menschen, die im Sterben liegen, Trost spenden und Gesellschaft sowie Abwechslung in ihrem Alltag ermöglichen. So etwa, weil Angehörige dafür nicht ausreichend Zeit finden, oder es keine nahestehenden Verwandten gibt. Doch auch die 27-Jährige selbst hat schon einiges aus ihrer Arbeit mitgenommen.


Das könnte dich auch interessieren: Dortmund mit Neueröffnungs-Hammer – DAS ist einmalig in NRW!


„Dass man bewusster Entscheidungen trifft, bewusster Sachen macht, die einem Spaß machen, bewusster auch auf die eigene Work Life Balance achtet. In neue Situationen reingeht, die man vielleicht sonst nicht gemacht hätte. Einfach diese Endlichkeit des Lebens wird einem viel bewusster.“ Auch im Umgang mit Freunden , die einen Trauerprozess durchmachen, sei Lisa Jessee durch ihr Ehrenamt viel offener geworden.

27-Jährige wird deutlich: „Großes Tabuthema“

Das Ehrenamt birgt aber auch einige Gefahren. „Wenn man die Person als Freund ansieht, man begleitet ja so viele Personen, ich weiß gar nicht, wie ich mir das vorstellen kann, wenn ich so viele Freunde im Jahr verlieren würde“, macht die Studentin klar. „Deswegen, glaube ich, muss man sich da schon ein bisschen abgrenzen.“


Auch interessant: Unterwegs im Ruhrgebiet


Doch für eine Sache fehlt der Promotionsstudentin das Verständnis. „Ich finde das irgendwie schade, dass das Thema (Tod, Anm. d. Red.) einfach noch nicht so weit verbreitet ist, weil es auch ein großes Tabuthema ist“, wird Lisa Jessee gegenüber DER WESTEN deutlich. „Ich fände es schön, wenn noch mehr junge Leute so ein Ehrenamt ausführen würden, weil es einem wirklich total viel bringt. Man bekommt viel von den sterbenden Menschen zurück. Ich glaube, dass viele jüngere Leute davon total profitieren könnten.“