Ex-Opel-Sprecher: „Die Bochumer sind eine Super-Mannschaft“
In Bochum wurden nicht nur gute Autos gebaut, sagt der frühere Opel-Sprecher Andreas Graf Praschma. Die Belegschaft habe auch immer wieder Außerordentliches möglich gemacht. Als Regisseur Wolfgang Petersen im Werk drehte, wurde einfach weiter produziert.
Bochum.
Mut ist, so verrückt zu sein dass vermeintlich Unmögliche möglich zu machen. „In Bochum ging das“, sagt Andreas Graf Praschma. Hier haben sie nicht nur gute Autos gebaut Hier haben sie auch Sachen möglich gemacht, an die sich andere niemals heran getraut hätten. Als Wolfgang Petersen, Regisseur des Kultfilms „Das Boot“, Werbefilme für Opel drehen sollte, haben alle anderen Werke abgewinkt, erinnert sich der 68-jährige Journalist, der von 1988 bis 2005 das Werk nach außen vertrat. Bochum weigerte sich nicht.
Genauso wenig, als Ester Schweins und Ingo Naujacks den Spielfilm „Weibsbilder“ drehten – bei laufender Produktion –, als 25 000 Läufer des Karstadt-Marathons durch das Presswerk liefen oder als bei zwei Oldtimer-Rallyes Wagen um Wagen quer durch die Presswerk-Halle fuhr, beschallt von klassischer Musik. „Wir brauchten dafür 150 Ordner“, erinnert sich Graf Praschma. Es habe nur eine halbe Stunde gedauert, bis sich so viele Mitarbeiter freiwillig gemeldet hatten. Geld für derlei Veranstaltungen habe es in der Regel nie genügend gegeben. Enthusiasmus unter der Belegschaft und die Bereitschaft, sich zu engagieren, aber immer.
Besuch von Bundeskanzler Schröder
Andreas Graf Praschma hat gute Erinnerungen an Opel Bochum. Und die hängen in erster Linie mit der Belegschaft zusammen. „Die Bochumer sind eine Super-Mannschaft“, sagt er auch heute noch anerkennend über die mittlerweile auf gut 3000 Beschäftigte geschmolzene Kernmannschaft. Denn mit ihr sei so gut wie alles möglich gewesen. „Wenn es irgendwo in der Welt brannte bei GM, in Korea oder sonstwo, wen haben sie dann geschickt? Leute aus Bochum.“
Oder es kamen die wichtigen Menschen in das Ruhrgebiet. Reinhold Messner etwa, den Markenbotschafter überraschten sie mit einer Begegnung mit einer Seilschaft aus fast 50 Opel-Hobbybergsteigern, so dass sich die geplante Buchvorstellung „in eine ganz andere Richtung entwickelte und eine tolle Veranstaltung war.“
Oder wie 2004, als Bundeskanzler Gerhard Schröder zu Gast im Werk war. „Wir hatten 40-jährigen Geburtstag und aus Rüsselsheim hieß es, gefeiert wird nicht.“ 50.000 Euro habe die Zentrale dann zwar doch zur Verfügung gestellt. Für ein Werksfest eine eher bescheidene Summe die für den gewollt bescheidenen Rahmen sorgen sollte. Aber dann kam alles anders. „Binnen sechs Stunden hatte ich es über meine Drähte geschafft, dass der Kanzler kommt.“ Und da hätte sich die Opel-Spitze es nicht leisten können, fern zu bleiben.
Spiegelbild der Menschen des Reviers
Das Opel-Werk war immer auch ein Spiegelbild der Menschen des Reviers. Als 1960 die Erdarbeiten auf dem Gelände begannen, entstand im dörflichen Laer rasch die gewaltigste Baustelle Europas. 300 Baufirmen beschäftigten dort bis zu 5500 Mitarbeiter. Viele von ihnen hatten zuvor im Bergbau gearbeitet und fanden später einen Job im neuen Opelwerk.
In diesen Anfangsjahren stellten bis zu 1000 umgeschulte ehemalige Bergleute einen großen Anteil der Beschäftigten. Was kein Wunder war, denn die erste große Zechenkrise Anfang der 60er Jahre traf die alte Bergbaustadt Bochum mit voller Wucht. Binnen weniger Jahre schlossen zig Zechen – das Bergwerk Prinz-Regent in Wiemelhausen hatte den Anfang gemacht. Von den in den 50er Jahren noch rund 43 000 Bergleuten in Bochumer Kohlegruben verloren damals etwa 23.000 Leute ihre Arbeit. Ein Aderlass, der vielen Menschen damals nicht ersetzbar schien.
Sogar aus Dinslaken
Doch es gelang. Viele sprachen gar vom Bochumer Opel-Wunder im Ruhr-Revier:
Mit dem stetigen Ausbau des Werkes wuchs die Zahl der Belegschaft. Bis in der Mitte der 80er Jahre knapp 19.000 Menschen in den dann drei Bochumer Werken arbeiteten, der Höchststand. Dabei stieg der Anteil ausländischer Mitarbeiter. Zwischen 1975 und 1980 waren es stets rund 3000 Gastarbeiter, die bei Opel arbeiteten. Zunächst natürlich Menschen aus Südeuropa, danach zunehmend aus der Türkei.
Es gibt eine altertümliche, rund 30 Jahre alte Grafik, die das Opel-Werk noch sozusagen von Hand ohne Grafik-Programm erstellt hat. Sie zeigt anschaulich den Einzugsbereich des Werkes. Es gab praktisch keine Stadt im Ruhrgebiet, aus der sich nicht Tag für Tag die Mitarbeiter auf den Weg machten, um rechtzeitig zur Früh-, Mittags- oder Nachtschicht im Werk zu sein. Sogar aus Dinslaken, Düsseldorf oder Iserlohn kamen die Arbeiter. Und: Damals beschäftigte die Fabrik allein 513 Auszubildende – auch eine Zahl!