Bochum.
Sie sind Begleiterscheinungen der Corona-Pandemie: Verschwörungstheorien.
Inzwischen gibt es zahlreiche Menschen in Deutschland, die mindestens eine Person im Familien- oder Bekanntenkreis kennen, die sich Verschwörungstheorien gegenüber offen zeigt. Eine Studentin (30) aus Bochum kennt ebenfalls jemanden, ihr eigener Vater vergleicht die Corona-Maßnahmen mit dem Holocaust, leugnet die Existenz des Virus‘.
Jetzt sucht sie Hilfe und findet sie in Bochum – in einer Selbsthilfegruppe von betroffenen Angehörigen!
Bochum: Tochter verzweifelt, weil ihr Vater an Verschwörungstheorien glaubt – „Musste handeln“
Gegenüber der WAZ erzählt die Bochumerin, dass ihr Vater eines Tages von einer großen Corona-Verschwörung geredet und seine Situation als Ungeimpfter mit der von Juden im Holocaust verglichen hatte. Seine entsetzte Tochter: „Das konnte ich mir nicht mehr anhören. Das waren gar nicht seine Worte, ich hatte das Gefühl, nicht mit meinem Vater zu sprechen. Ich musste handeln.“
Sie liebe ihren Vater, der als Ingenieur sein Geld verdiene und ein ruhiger Typ wäre. Doch das Verhältnis zu ihm sei mit Pandemie-Beginn immer schwieriger geworden, zudem hätten sich einige Freunde von ihm abgewendet. Dabei hatte er zwischenzeitlich sogar eingesehen, dass es Corona gebe, als eine enge Bekannte erkrankt ist. Jetzt leugne er aber wieder die Pandemie, seine Wortwahl ist scharf und aggressiv.
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Das bedeuten die 3G-, 2G- und 2G+-Regel:
- 3G: wer nicht vollständig geimpft ist oder als genesen gilt, muss entweder einen Antigen-Schnelltest (maximal 24 Stunden alt) oder einen PCR-Test (maximal 48 Stunden alt) vorlegen
- Ungeimpfte müssen z.B. für Veranstaltungen in Innenräumen einen negativen Coronatest vorlegen
- die 2G-Regel (geimpft oder genesen) ist eine Verschärfung der 3G-Regel. Hier haben Ungeimpfte selbst mit negativem Corona-Test keine Chance auf Zugang
- noch härter ist die 2G+-Regel: Hier müssen selbst Geimpfte einen negativen Corona-Test vorlegen, so z.b. bei Hotelaufenthalten oder körpernahen Dienstleistungen
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Frau aus Bochum fragt sich: „Wie gespalten ist unsere Gesellschaft nach der Corona-Pandemie?“
Bei der Selbsthilfe-Kontaktstelle an der Alsenstraße in Bochum habe sie mit ihrem Anliegen offene Ohren gefunden, kurzerhand steht eine eigene Selbsthilfe-Gruppe, in der sich die Teilnehmer über Freunde und Verwandte austauschen, die an Verschwörungstheorien glauben. Auch dank der Gruppe sei der Kontakt zwischen Vater und Tochter noch immer eng, wie sie WAZ sagt: „Was machen wir, wenn die Corona-Pandemie vorbei ist? Wie gespalten ist unsere Gesellschaft dann? Wir müssen jetzt schon versuchen, in Kontakt zu bleiben.“
„Sekten-Info NRW“ mit Sitz in Essen hat seit Gründung im Jahr 1984 das Ziel, Betroffenen von neuen, religiösen und ideologischen Gemeinschaften und Psychogruppen Beratung zu geben. Christoph Grotepass ist stellvertretender Geschäftsführer, seit 2007 außerdem theologischer Berater und Referent bei „Sekten-Info NRW“. Gegenüber DER WESTEN berichtet er: „Im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit hat sich die Zahl der Menschen, die an Verschwörungstheorien glauben, verfünffacht. Vorher hatten wir viel mit Menschen zu tun, die dem Reichsbürgertum oder anderen fundamentalistischen Ansichten zugewandt waren. Solche Weltansichten entzweien Familien, wir haben auch schon erlebt, dass sich Ehepaare deshalb geschieden haben.“
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Bochum: Verein bietet Hilfe für Betroffene und Angehörige
Dass sich Menschen gerade in Pandemie-Zeiten in Verschwörungstheorien flüchten, wundert den Experten nicht. Grotepass weiter: „Häufig sind das Menschen, die Enttäuschungen auf sozialer oder gesundheitlicher Basis kompensieren wollen. Heute sind auch viel mehr Ältere unter den Verschwörungstheoretikern als früher. Social Media spielt eine große Rolle für die Verbreitung von Verschwörungstheorien, durch entsprechendes Liken und Teilen gerät man schnell in eine Blase, der Algorithmus spuckt immer mehr ähnliche Beiträge raus, man wird nicht mehr empfänglich für andere Meinungen und Nachrichten.“
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Um Betroffenen, also sowohl Angehörigen als auch Anhängern von Verschwörungstheoretikern zu helfen, sollte zunächst das „sich anvertrauen“ stattfinden. Das könne schon entlastend und eine gute Basis für weitere Therapie-Schritte sein. Empfänglich für Verschwörungstheorien sind Menschen, die Angst und Unsicherheit verspüren würden. Auch das Gefühl, im eigenen Leben vermeintlich wenig bewirken zu können, erhöhe die Empfänglichkeit für entsprechende Theorien.
All das müsse mit der Zeit abgebaut werden, auch mit Hilfe von Experten, die mit wissenschaftlichen Argumenten Verschwörungstheorien entkräften können. Wer Hilfe und Beratung für sich oder Angehörige sucht, kann sich unter www.sekten-info-nrw.de informieren und Kontakt aufnehmen. (mg)