Essen.
Zehnkampf-Legende. Leichtathletik-Ikone. Drei Weltrekorde. Silbermedaillengewinner bei Olympia 1984 in Los Angeles. Aber unvergessen bleiben seine Duelle mit dem Briten Daley Thompson. Am Donnerstag wird der Duisburger Jürgen Hingsen 60 Jahre alt. Ein Leben zwischen Triumph und Drama.
Wie geht es dem einstigen deutschen „Herkules“? „Bestens“, trällert Hingsen in sein Mobiltelefon, „ich sitze im Auto und fahre mit meiner Frau nach Dresden zum Semper-Opernball. Ich tanze in meinen Geburtstag hinein. Die 60 nehme ich zur Kenntnis, mehr nicht.“
Olympia 1988 in Seoul bleibt Hingsens Makel. Es ist 40 Grad heiß. Hingsen steht am Start. 100-Meter-Rennen. Dreimal springt er zu früh aus dem Block. Disqualifikation. Aus der Traum vom Gold. „Katastrophe. Ich war für alle der Depp“, sagt er heute, „dabei war meine Patellasehne kaputt, es gab Gegenwind, ich habe alles riskiert. Und alles verloren. Ein Makel, der für immer bleibt.“ Sein Dauerrivale Thompson war wieder der strahlende Sieger.
Mit dem Fahrrad zum Bodensee
„Er war ein Straßenkämpfer“, sagt Hingsen, „Daley wuchs mit fünf Geschwistern in einem Zimmer auf. Dadurch hatte er eine innere Stärke, er führte einen Psychokrieg gegen mich. Das lag ihm einfach im Blut.“
Heute sind die Kontrahenten Freunde. „Wenn Daley 60 wird, will er mit mir mit dem Fahrrad von Köln an den Bodensee fahren.“
Das Duell Hingsen gegen Thompson fesselte jahrelang die Leichtathletikwelt. Seitdem gab es aus deutscher Sicht nichts Vergleichbares. „Uns fehlen Typen, die polarisieren“, sagt Hingsen. Außerdem: „Die öffentlich-rechtlichen Sender zeigen nur noch Fußball, Fußball, Fußball. Daran zerbricht auch die Leichtathletik. Das ist bedauerlich.“
Könnte Hingsen als Mann an der Spitze des Deutschen Leichtathletikverbandes (DLV) den Sport wieder populärer machen? „Mich hat noch niemand gefragt“, antwortet er, „deshalb habe ich mir darüber auch noch keine Gedanken gemacht. Aber dieser Sport könnte einen Mann brauchen, der die jungen Menschen wieder begeistert.“