Der Schotte Anderson verteidigt bei der Darts-WM seinen Titel. Er ist der Sieger eines Turniers, das immer beliebter wird. Doch er spürt das Alter.
London.
Gary Anderson war Mitte 20, als drei Pfeile seinem Leben eine entscheidende Wendung gaben. Die Anekdote des Schotten beginnt damit, dass er auf einem Zeltplatz Billard spielen will. Doch ihm fehlt ein Ein-Pfund-Stück. Also versucht es Anderson mit Darts. Die Sportart ist kostenlos. Anderson wirft drei Mal auf die Scheibe und erzielt ein passables Ergebnis. Er nimmt die Pfeile aus dem Board und visiert das Triple-20-Feld an. Treffer. Auch der zweite Pfeil sitzt. Den dritten Dart bringt Anderson ebenfalls im Segment unter. Mit der zweiten Aufnahme seines Lebens holt er perfekte 180 Punkte. „Von da an gab es kein Zurück mehr“, erzählt Anderson später. Er gibt seinen Job als Kaminbauer auf und konzentriert sich auf Darts. Eine gute Entscheidung.
Zwei Jahrzehnte nach seinem Erlebnis auf dem Zeltplatz lässt sich Anderson im Londoner Alexandra Palace feiern. Der 45-Jährige gewann am Sonntag seinen zweiten WM-Titel in Folge. Die Zeiten, in denen Anderson das Geld für eine Partie Billard fehlte, sind längst vorbei. Für den 7:5-Erfolg über Adrian Lewis erhielt der Schotte umgerechnet mehr als 400.000 Euro. Gleichzeitig nahm er erfolgreich Revanche: 2011 unterlag Anderson dem Engländer Lewis im Finale.
Anderson verrechnet sich zweimal im Finale
Nach der Niederlage durchlebte er schwere Zeiten. Andersons jüngerer Bruder und sein Vater verstarben innerhalb weniger Monate. Die Trennung von Ehefrau Rosemary belastete ihn zusätzlich. Er verlor zwischenzeitlich die Lust auf Darts. Erst im Januar 2015 kehrte Anderson zur alter Stärke zurück. Damals besiegte „The Flying Scotsman“, so lautet sein Spitzname, den 16-maligen Weltmeister Phil Taylor im WM-Finale. Nun sicherte sich Anderson erneut den Riesenpokal. „Zwölf Monate bin ich jetzt weiter Weltmeister. Ich merke mein Alter. Es wird immer schwieriger gegen die Youngster zu bestehen“, gestand er und deutete auf Lewis. Andersons Kontrahent ist 15 Jahre jünger und hat eine große Zukunft vor sich.
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Adrian Lewis erhielt als Trostpflaster rund 200 000 Euro an Preisgeld. „Ich bin jetzt zurück auf Platz drei in der Weltrangliste. Jetzt heißt es zurück ans Practice Board, und dann schlage ich nächstes Jahr zurück“, sagte der Engländer nach dem Finale.
Das gilt auch für die Sportart allgemein. Der TV-Sender Sport1 knackt bei Übertragungen der Darts-WM regelmäßig die Millionenmarke. Wer zum ersten Mal einschaltet, blickt oft skeptisch auf die zumeist schmerbäuchigen Sportler in grellen Hemden. Doch nach einigen Sätzen packt viele Zuschauer die Spannung. Darts ist schließlich rasant: So gelang Anderson im Halbfinale ein perfektes Spiel, als er mit nur neun Würfen die erforderlichen 501 Punkte erzielte. Darts ist unberechenbar: Der Topfavorit und Weltranglisten-Erste Michael van Gerwen scheiterte diesmal bereits im WM-Achtelfinale. Und Darts ist kurios: Anderson verrechnete sich im Finale gleich zweimal und warf auf das falsche Feld. Lewis sprangen die Pfeile dafür immer wieder von der Scheibe.
Deutsche scheitern bei Darts-WM in Runde eins
Den Reiz der Sportart haben bereits viele Prominente erkannt. Fußball-Weltmeister Toni Kroos kommentiert via Twitter jedes Duell. Prinz Harry saß in der Vergangenheit bereits im Publikum. Ebenso der frühere Fußball-Profi Steffen Freund – in einem Teletubbie-Kostüm. Für die jüngste Auflage hatte sich Klaas-Jan Huntelaar Karten gesichert. Der niederländische Angreifer des FC Schalke 04 konnte sich immerhin über zwei Landsleute im Halbfinale freuen.
Von solchen Ergebnissen sind die Deutschen weit entfernt. Für Max Hopp, René Eidams und Jyhan Artut kam in London bereits in der ersten Runde das Aus. Zumindest bei einem aus dem Trio besteht noch reichlich Luft nach oben. Hopp besitzt laut Meinung vieler Experten das Talent, um um die großen Titel mitzuspielen. Der Hesse bringt es trotz seiner erst 19 Jahre bereits auf vier WM-Teilnahmen. Anderson hatte in diesem Alter noch keinen Pfeil geworfen.