Brüssel.
2003 beendete Marc Wilmots seine Karriere bei Schalke 04. Seitdem ist viel Zeit vergangen, doch der Belgier hat stets die Entwicklung des Klubs verfolgt, mit dem er 1997 den Uefa-Cup gewann und bei dem er sehr beliebt war.
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Wenige Tage nach seinem Aus als Nationaltrainer der Elfenbeinküste sprach der ehemalige Schalker mit dieser Redaktion über das Revierderby bei Borussia Dortmund am Samstag (15.30 Uhr). Er erklärt zudem, warum er den Königsblauen zutraut, am Ende der Saison vor dem BVB zu stehen, und warum es Leon Goretzka nach England ziehen könnte.
Wenn die Rede von Schalke 04 ist, spüren Sie bis heute noch eine Art Gänsehaut?
Marc Wilmots: (lacht) Meine Zeit bei Schalke 04 ist unvergesslich, vor allem, wenn man mit diesem Klub so viel erlebt hat. Wenn ich Schalke höre, dann denke ich sofort an Rudi Assauer. Eine Person, die mir menschlich unheimlich viel gebracht hat. Er hat mir in puncto Management und Menschenführung sehr geholfen. Diese Zeit als Spieler bei Schalke 04 war die schönste meiner Laufbahn. Wir haben sechs unglaubliche Jahre erlebt, in denen sich der Klub stetig weiterentwickelt hat – bis zum sensationellen Triumph 1997 im Uefa-Cup.
Was halten Sie vom FC Schalke 04 in der Saison 2017/2018?
Marc Wilmots: Schalke scheint sich wieder auf einem guten Weg zu befinden. Domenico Tedesco macht einen hervorragenden Job. Er ist jung, er sorgt mit seinen taktischen und menschlichen Maßnahmen für frischen Wind. Zum Beispiel Max Meyer als Sechser zu installieren, finde ich großartig. Ich traue Schalke den Einzug in die Champions League zu. Schalke gehört in die Champions League.
Haben die Königsblauen mittelfristig das Potenzial, sich unter den Top 4 in der Bundesliga zu etablieren?
Marc Wilmots: Es soll nicht als Kritik, sondern als Feststellung verstanden werden: In den vergangenen Jahren hat Schalke genug Zeit verloren. Aber Schalke gehört definitiv in die Top 4. Dafür hat dieser Verein alles: eine tolle Infrastruktur, das vielleicht schönste Stadion in Europa, unglaubliche Fans und eine Knappenschmiede, die ihresgleichen sucht. Nun braucht Schalke eine schlagkräftige Mannschaft, die jahrelang konkurrenzfähig auf dem höchsten europäischen Niveau werden kann.
Was bewundern Sie bei Schalke 04?
Marc Wilmots: Ich finde die Jugendarbeit weltklasse. Man braucht sich nur die Namen der jungen Spieler anzuschauen, die dann zu großen Stars wurden, ob Manuel Neuer, Mesut Özil oder Leroy Sané. Es ist wichtig, den jungen Spielern eine Chance zu geben und ihnen das Vertrauen zu schenken.
Was bleibt aus Ihrer Schalker Zeit von den Revierderbys in Erinnerung?
Marc Wilmots: Jeden Sommer, als der Bundesliga-Spielplan veröffentlicht wurde, schaute man sofort, an welchen Wochenenden beide Duelle gegen Borussia Dortmund stattfinden. Nur 40 Kilometer trennen beide Städte, es herrscht jedes Mal eine besondere Stimmung. Egal, ob man zum Bäcker oder zum Metzger geht, es gibt gleich mehrere Wochen vor dem Duell nur ein Thema: das Derby. Für die Identifikation der Leute ist das Spiel das Nonplusultra. Bei der U19 und der U17 ist es nicht anders. In der Jugend herrscht ebenfalls eine große Rivalität – auch wenn ich finde, dass der Respekt zwischen beiden Klubs zuletzt immer größer wurde.
Wie sehen Sie nun das Revierderby? Hat Schalke 04 das Zeug, dem BVB die dritte Heimniederlage in Folge in der Bundesliga zuzufügen?
Marc Wilmots: Absolut. Schalke steigert sich von Spiel zu Spiel, und Borussia Dortmund hat seit einigen Wochen etliche Probleme, sei es taktischer Natur oder personell mit vielen Verletzten. Für die Schalker Anhänger handelt es sich um das Spiel des Jahres. Außerdem haben sie es sicherlich satt, dass der BVB in der Tabelle vor dem S04 steht. Nun ist man an den Rivalen vorbeigezogen. Ich traue Schalke sogar zu, am Ende der Saison vor Dortmund zu landen.
Wird der BVB trotzdem wieder aufstehen und bald seine Ergebniskrise beenden?
Marc Wilmots: Daran habe ich keine Zweifel, weil die Borussia seit vielen Jahren extrem professionell und erfolgreich arbeitet. Allein Michael Zorc als Sportdirektor leistet einen Weltklassejob. In Dortmund wird auf Kontinuität gesetzt, und diese Vorgehensweise zahlt sich aus. Wie es den Verantwortlichen immer wieder gelingt, große Talente zu entdecken und zu fördern, das würdigt Respekt. Hut ab.
Es ist seit etlichen Wochen viel von der Zukunft von Leon Goretzka die Rede. Wird er den Königsblauen erhalten bleiben, oder wird er im kommenden Sommer wechseln?
Marc Wilmots: Leon ist ein toller Spieler. Bei ihm sehe ich keine Schwächen. Er kann einfach alles. Er ist sehr elegant am Ball. Er ist der Prototyp des modernen Spielers: Er schießt und bereitet Tore vor, er kann den Ball zurückerobern, und er hat eine hohe Spielintelligenz. In sieben Monaten läuft sein Vertrag aus. Man kann also davon ausgehen, dass er Schalke 04 verlassen wird, sonst hätte er ja bereits verlängert. Als Schalke-Fan hoffe ich sehr, dass er bleibt, aber im derzeitigen Fußball ist es schwer, die Verlockungen der größten europäischen Teams zu ignorieren.
Wo wäre er am besten aufgehoben?
Marc Wilmots: Er wird wohl dahin gehen, wo am meisten bezahlt wird. Insofern würde es mich nicht überraschen, wenn er in Manchester seine Karriere fortsetzt, egal ob bei United oder bei City. Er muss einfach auf sein Herz hören, sich fragen, was er wirklich will, und dann entscheiden. Wenn er sich für Schalke 04 entscheidet, wäre es klasse. Wenn nicht, wäre es auch verständlich.