Keine Polizei mehr in Schalke-Arena – OB Baranowski empört
NRW-Innenminister Jäger (SPD) zieht die Konsequenzen aus der Kritik an dem Polizeieinsatz in der Schalke-Arena beim Spiel gegen Saloniki mit 80 Verletzten. Die Polizei will künftig im Stadion keine Präsenz mehr zeigen. Gelsenkirchens OB Baranowski reagierte wütend auf den Beschluss seines Parteifreunds: Es könne keine „Lex-Schalke“ geben.
Gelsenkirchen.
Nach dem umstrittenen Polizeieinsatz beim Spiel zwischen Schalke 04 und Saloniki schlägt NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) einen harten Kurs gegen den Bundesligisten ein. Ab sofort schickt Jäger keine Polizisten mehr ins Schalker Stadion, um den Ordnungsdienst des Vereins zu unterstützen. Die Polizei werde sich nur noch außerhalb der Arena aufhalten und nur „einschreiten, wenn Schalke 04 sie darum bittet“, sagte er im Innenausschuss des Landtags. Das Vertrauensverhältnis sei „nachhaltig gestört“.
Beim Spiel gegen Saloniki am 21. August sei Schalke „nicht in der Lage gewesen, eigenes Hausrecht umzusetzen“. Es sei Aufgabe des Vereins, die Sicherheit „vor, während und nach dem Spiel zu gewährleisten“, während die Polizei für den öffentlichen Bereich außerhalb des Stadions zuständig sei. Jäger verwies darauf, dass die Bereitschaftspolizei in NRW 30 Prozent ihrer Einsatzzeit darauf verwende, Fußballspiele zu sichern.
Wütende Reaktion aus Gelsenkirchen
Der Beschluss hat wütende Reaktionen seitens der Gelsenkirchener Stadtverwaltung provoziert. Oberbürgermeister Frank Baranowski – wie Innenminister Jäger ein SPD-Politiker reagierte empört: „Eine Lex-Schalke ist vollkommen unangemessen und scheint keine Vernunft-Entscheidung des Innenministers zu sein. Entweder zieht der Innenminister die Polizei aus allen Fußballstadien in NRW ab oder gar nicht. Einzig und allein die Poli-zei aus der Veltins-Arena abzuziehen, ist ein völlig unakzeptabler Vorgang.“
Ein derartiger Alleingang des Innenministers weniger als eine Woche vor dem ersten Champions- League-Heimspiel und dem Bundesliga-Heimspiel gegen Bayern München trage nicht zur Sicherheit in Stadien bei, sondern verschärfe nur die Diskussion darüber. „Dass Jäger eine solche Entschei-dung fällt, ohne ihn mit den Handelnden vor Ort abzustimmen und ohne die gemeinsamen Gespräche zwischen Polizei und Verein abzuwarten, setzt dem ganzen noch die Krone auf.“
Zu den Ausschreitungen war es in der zweiten Halbzeit gekommen, als die Polizei mit einem großen Aufgebot in den Schalker Fanblock einrückte, um dort das mazedonische Banner eines befreundeten Clubs zu entfernen. Obwohl das Banner auch nach Angaben Jägers „legal“ war, hätten sich die rund 800 griechischen Anhänger im Stadion dadurch „massiv beleidigt“ und provoziert gefühlt. Sie hätten gedroht, den Platz zu stürmen, wenn es nicht entfernt würde.
Nach Angaben der Polizei war Schalke allein mit dem Versuch überfordert, die Lage zu beruhigen. Allerdings wurde eingeräumt, dass die Stimmung im Schalker Block vor dem Polizeieinsatz „friedlich“ gewesen und erst dann „in Aggression umgeschlagen“ sei. 80 teils unbeteiligte Personen wurden verletzt, die meisten durch Pfefferspray, außerdem zwei Polizisten. Schalke-Geschäftsführer Peters hatte das Vorgehen der Polizei nach dem Spiel als „völlig unverhältnismäßig“ bezeichnet.
„Mit zu großen Kanonen auf zu kleine Spatzen geschossen“
Mehrere Abgeordnete kritisierten, dass die Polizei nicht gegen die gewaltbereiten Fans im Saloniki-Block vorgegangen sei. Von dort seien die Provokationen ausgegangen. Bei dem Einsatz sei „mit zu großen Kanonen auf zu kleine Spatzen geschossen“ worden, so Lothar Hegemann (CDU) Jäger sagte zu, die Einsatztaktik der Polizei werde „selbstkritisch“ aufbereitet. Auch die Staatsanwaltschaft ermittelt.
Schalke-Manager Heldt überrascht: “ Ich kann mir das nicht vorstellen“
Horst Heldt zeigte sich am Donnerstag total überrascht von der neuesten Entwicklung. „Ich habe darüber noch keine Information. Ich kann mir das nicht vorstellen“, sagte Schalkes Manager zwei Tage vor der Bundesliga-Auswärtspartie beim FSV Mainz 05.
Laut Geschäftsführer Peter Peters befinde man sich bereits seit dem Freitag nach dem Spiel gegen Saloniki in „konstruktiven Gesprächen“ mit der Gelsenkirchener Polizei. Clubsprecher Thomas Spiegel erläuterte, man wolle in den Gesprächen eine Basis finden, damit „alle Parteien wieder zusammenarbeiten können“.
Der BVB hält sich in dieser Diskussion vornehm zurück. Man habe noch zu wenige „Detailkenntnisse“ über die Entscheidung der Landesregierung und die Situation beim Nachbarverein. Borussia-Anhänger hatten nach dem Spiel Schalke-Saloniki Verständnis für den Ärger der Schalker Fans geäußert und den Polizeieinsatz als „unverhältnismäßig“ beurteilt. An dieser Einschätzung habe sich nichts geändert, sagte BVB-Sprecher Sascha Fligge am Donnerstag. Die Diskussion über Polizeieinsätze in Stadien müsse „sachlich und nicht populistisch“ geführt werden.
Der BVB gibt zu bedenken, dass Ordnungskräfte der Vereine in bestimmten Situationen gar nicht so vorgehen könnten wie die Polizei. Die Staatsgewalt dürfe nur vom Staat ausgehen. Im Übrigen pflege der BVB einen „intensiven und harmonischen“ Austausch mit der Polizei und dem Staatsschutz. Auch, wenn es um das Thema Rechtsextremismus geht.
Griechen fühlten sich durch Banner mit der alten mazedonischen Flagge provoziert
Von der Uefa war die Begegnung Schalke-Saloniki nicht als „Risikospiel“ eingestuft, obwohl sich 220 griechische „Risikofans“ angesagt hatten. In der Arena wurden 274 Polizisten und 650 Vereins-Ordner eingesetzt. Schon vor Anpfiff hätten sich viele Griechen durch das rote Banner mit der alten mazedonischen Flagge provoziert gefühlt, hieß es am Donnerstag.
Ungeklärt blieb, ob der Polizeieinsatz mit Schalke-Verantwortlichen abgestimmt war. Wegen der „aufgeheizten Stimmung“, so der Ministeriumsbericht, habe die Polizei in der Halbzeit auch mit dem Sicherheitsbeauftragten des Clubs über einen Einsatz als letztes Mittel gesprochen. Er habe daraufhin die Ultras im Schalker Block vergeblich aufgefordert, das Banner abzunehmen. Ob es eine allgemein verständliche Stadiondurchsage gab, die das Einschreiten der Polizei ankündigte, ist ebenfalls offen.
Jäger sauer auf Schalke-Geschäftsführer Peters: alle Schuld bei Polizei abgeladen
Dann schlug die Stimmung unter den zuvor friedlichen Fans schnell um. Auf Aggressionen („Scheiß Bullen“) sei „massive Gewalt“ von Ultras gefolgt: Faustschläge, Tritte und „Stechen mit Stangen“. In dieser „dynamischen Situation“ habe die Polizei mit Schlagstöcken und Pfefferspray reagiert. Zur Schadensbilanz gehören 120 herausgerissene Sitzschalen im Saloniki-Block.
Jäger verteidigte den Einsatz, sprach aber von offenen Fragen. Dabei gehe es um die Verantwortung von Schalke und einzelner Fans, aber auch der Polizei. Kommunikationspannen wurden eingeräumt. Dass DRK-Helfer und friedliche Fans durch Pfefferspray verletzt wurden, bedauerte das Ministerium.
Tief sitzt der Ärger bei der Polizei, aber auch bei Jäger über Schalke-Geschäftsführer Peter Peters. Er habe alle Schuld für den „unverhältnismäßen Einsatz“ bei der Polizei abgeladen. „Einige Vereine fühlen sich nur zuständig für die VIP’s und schieben die Verantwortung an die Polizei ab“, sagte Hans-Willi Körfges (SPD).