Gelsenkirchen. 

Schalke bejubelt den hochtalentierten 17-Jährigen, der das Pokal-Viertelfinale gegen Nürnberg entschied, und dem Trainer Felix Magath eine ganz große Karriere prophezeit.

„War super“, ruft ihm eine ältere Dame zu, als Julian Draxler am Mittwoch um 10 Uhr mit einem Ballnetz auf dem Rücken auf den Platz stiefelt. Wenige Minuten später schießt er leichtfüßig die ersten Trainingstore, als sei nichts passiert. Alltag?

Die Welt des FC Schalke 04 kreist an diesem Morgen um einen 17-Jährigen. Um einen Jungen, dem zum Rasieren noch ein raues Handtuch reichen müsste. Der noch in der A-Jugend spielen dürfte, sogar eine weitere Saison. Am Abend zuvor hat dieser unbekümmerte Kerl in der vorletzten Minute der Verlängerung, drei Minuten nach seiner Einwechslung, das Pokal-Viertelfinale gegen den 1. FC Nürnberg mit einem grandiosen Schuss zum 3:2 entschieden. Danach stand fest: Die Statik stimmt, die Arena übersteht auch ein Beben.

Kurz vor Mitternacht musste sich Julian Draxler zum zweiten Mal durchdribbeln. Eine längere Gratulantenschar wartete

im Foyer auf ihn

und versperrte ihm den Weg zu seinen Eltern, die er zuvor vergeblich auf der Tribüne gesucht hatte. Noch ein Autogramm, noch ein Foto – Julian Draxler gab sich geduldig, er fühlte sich vom Glück geküsst und hätte den Leuten vermutlich auch einen Handstand vorgeführt, wenn sie es nur gewünscht hätten.

„Ich musste mich konzentrieren, damit keine Tränen fließen“, erzählte der frühere Balljunge nach seinem großen Auftritt. „Ich glaube, es gibt keinen schöneren Moment.“ Er empfand diesen Moment als Geschenk, weil er selbst nicht mehr damit gerechnet hatte, als er sich während der zweiten Verlängerungshälfte warmlief: „Ich dachte, jetzt wechselt der Coach bestimmt nicht mehr. Und dann hat Edu mir gesagt, dass der Herr Hollerbach mich gerufen hat.“

Bernd Hollerbach ist einer von zwei Co-Trainern von Felix Magath, der andere, Seppo Eichkorn, hält auch ein Auge auf die Jugendmannschaften und gab nach Absprache mit A-Junioren-Trainer Norbert Elgert dem Chef im Herbst den Tipp, das Ausnahmetalent bei den Profis zu testen. Im Winter-Trainingslager in der Türkei begeisterte der junge Mittelfeldspieler mit dem dynamischen Zug zum Tor dann alle Experten – besonders Felix Magath.

Der nennt Julian Draxler seitdem „ein Riesentalent“ – der Schuss, der Schalke selig machte, kam für den Trainer nicht überraschend: „Es war das, was er kann.“ Magath, gewöhnlich kein schwärmerischer Typ, ist der festen Überzeugung, eine ganz große Karriere angeschoben zu haben: „Julian weiß schon genau, was er will. Wir werden noch viel Freude an ihm haben.“ Die Gefahr, dass der Hochgelobte die Bodenhaftung verlieren könnte, sieht Magath nicht, er bescheinigt dem Lehrling einen tadellosen Charakter. Auch Julian Draxler versichert brav: „Ich habe ein gutes Umfeld, ich bleibe auf jeden Fall auf dem Teppich.“

Er wohnt noch bei den Eltern in Gladbeck, Hans-Jürgen und Monika Draxler bekamen dort zweimal Besuch von Felix Magath. Beim ersten Mal stieß er den Gedanken an, ob der extrem begabte Filius nicht die schulische Laufbahn in der elften Jahrgangsstufe am Gladbecker Heisenberg-Gymnasium unterbrechen könnte, um alles auf die Karte Profifußball zu setzen. Die Eltern reagierten skeptisch. „Sie wollten, dass ihr Sohn etwas Anständiges lernt und Abitur macht“, erzählt der Trainer. Beim zweiten Mal gaben sie nach.

Nach den Weihnachtsferien kehrte Julian Draxler nicht mehr zur Penne zurück, seine Freundin muss dort nun morgens ohne ihn auskommen. „Bis zum Halbjahr, dann schauen wir, wohin der Weg geht“, sagt er. Er hat einen Lizenzspielervertrag bis 2014 unterschrieben, Felix Magath bekräftigt: „Er wird jetzt ein Jahrzehnt oder länger Profifußball spielen und ein Abitur danach nicht mehr brauchen.“

Die ersten Kritiken fielen bereits glänzend aus, ab sofort muss Julian Draxler auch lernen, Lobeshymnen zu verarbeiten. Dabei gibt er sich erstmals ungehorsam – mit verschmitztem Grinsen: „Der Trainer hat mir empfohlen, nicht so viel Zeitung zu lesen“, verrät er. „Aber in diesen Tagen kann ich es mir nicht verkneifen. . .“