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Kult-Fußball-Moderator über Montagsspiele, Video-Beweis und Super-Liga: „Da wird mir spontan schlecht!“

Kult-Fußball-Moderator über Montagsspiele, Video-Beweis und Super-Liga: „Da wird mir spontan schlecht!“

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Sven Pistor moderiert seit fast 20 Jahren den ultimativen Bundesligaklassiker "WDR 2 Liga Live". Foto: Guido Schröder/Becker Joest Volk Verlag

Wohl nirgendwo in Deutschland leben die Menschen so für Fußball wie hier im Westen.

Sven Pistor kann das bestätigen. Seit 20 Jahren ertönt er in „Liga Live“ bei WDR 2 in Tausenden Wohnzimmern und Autos-Radios.

Sven Pistor über Montagsspiele: „Da wird mir spontan schlecht!“

Erst vor Kurzem erschien Pistors Buch „50 Dinge, die man über den Westen wissen muss“.

Im Interview mit DER WESTEN hat der Kölner erklärt, warum der Fußball im Westen einfach etwas ganz besonderes ist, was ihn mit Peter Neururer verbindet und was die Rivalität von Borussia Dortmund und dem FC Schalke so besonders macht.

Herr Pistor, was ist das Besondere am Fußball-Westen?

„Gerade im Ruhrgebiet erzählt der Fußball auch die Geschichte der Bergleute, der Arbeiterschaft. Früher gab es die vielen Straßenbahn-Duelle in der Oberliga. Das waren irrsinnige Duelle mit solchen Fußballperlen wie Westfalia Herne oder Hamborn 07. Die Oberliga-West war damals ein echtes Träumchen. Schade, dass ich erst 1972 das Licht der Welt erblickt habe (lacht). Die besondere Stimmung und die Leidenschaft im Fußball haben sich im Fußballwesten zum Glück gehalten.“

Der Pott lebt von der Rivalität zwischen Borussia Dortmund und dem FC Schalke 04. Was macht die so speziell?

„Ich fahre oft nach England zum Boxing Day. Ein Engländer sagte mir mal zur Rivalität zwischen Deutschland und England: ‚Weißt du, warum wir so große Rivalen sind? Weil wir so ähnlich sind.‘ Das ist bei Schalke 04 und Borussia Dortmund genauso. Sie haben beide eine riesige Fanbasis, sie lieben den Fußball gleichermaßen, aber ihre Farben könnten nicht gegensätzlicher sein.

Du brauchst Antipoden. Wenn der Tag des Derbys gekommen ist, redet jeder darüber. Es ist einfach der Pulsschlag des Reviers, ein Stück Fußballkultur. Solange das in gesunden Bahnen läuft, ist das einfach wunderbar.“

In ihrem Buch beschreiben Sie auch das magische Jahr 1997. Wie haben Sie das erlebt?

„Ich habe damals ein Praktikum beim WDR gemacht und musste bei den beiden Finals von Schalke und Dortmund in der Sende-Regie die Zeiten stoppen. Beim Saisonfinale der Dortmunder kam dann der Pokal im Stadion per Heli reingeflogen und ich stand als Jungreporter unter den Rotoren auf dem Rasen. In diesem Moment wusste ich, dass ich meinen Beruf gefunden hatte.“

Sie beschreiben in ihrem Buch einige Typen wie Peter Neururer oder Ansgar Brinkmann. Was verkörpert den typischen West-Kicker?

„Den typischen West-Kicker gibt es nicht. Auf der einen Seite hast du jemand wie den Revoluzzer Günter Netzer, der eher dem linken Lager zugerechnet werden kann. Dann hast du MSV-Legende Bernhard Dietz – wertkonservativ- bei dem Prinzipien wie Vereinstreue groß geschrieben werden. Aber ich bin mir sicher, wenn die sich auf ein Bierchen zusammensetzen würden, sie würden sich super verstehen.“

Einer der die Ruhrpott-Mentalität inne hat, wie kaum jemand sonst, ist der Duisburger Joachim Hopp. Der vor seinem ersten Profivertrag noch bei Thyssen „an der Rinne gestanden“ hat…

„Ja, Hopp ist eine Sensation. Duisburg war ein Malocherverein, und ihn im coolen, alten Wedaustadion spielen zu sehen, war ein Ereignis. Joachim Hopp war auf ganzer Linie ein Phänomen. Mir war ziemlich schnell klar, dass Hopp in meinem Buch ein Kapitel bekommt.“

Wie kam es überhaupt dazu, dass Sie als Radiomann zum Buchautor wurden?

„Warum nicht? Ich finde es immer gut, wenn man sich selbst und auch andere überrascht. Ich fand es einfach spannend in die Geschichte des Fußball-Westens einzutauchen. Ich könnte problemlos 50 weitere Sachen aufschreiben. Außerdem kenne ich mittlerweile so viele echte Typen im Westen. Zum Beispiel Peter Neururer – damals war er als Bundesligatrainer in Köln für mich als Fan unerreichbar, heute gehe ich mit ihm golfen.

Das ist schon ein Privileg, wenn er seine fantastischen Geschichten erzählt. Auch Toni Schumacher habe ich kennengelernt, er war ein Idol, deshalb habe ich ihm die letzte Geschichte meines Buches gewidmet.“

Doch die Liga hat sich in den letzten Jahren deutlich verändert. Stichwort Montagsspiele, Videobeweis oder Super Liga…

„Das ist wirklich eine Auflistung. Da wird mir spontan schlecht. Ich kann nicht umhin zu sagen, dass sich der Fußball in vielen Bereichen falsch entwickelt. Ich muss ehrlich sagen, dass ich deshalb total happy bin, den Bundesliga-Klassiker ‚WDR2 Liga Live‘ zu präsentieren.

Eigentlich fühle ich mich ja so, dass ich gerade aus der Uni ins Radiostudio gepurzelt bin. Letztens kam aber eine Praktikantin zu mir und sagte eine folgenschweren Satz. Sie sagte: ‚Herr Pistor, Sie sind die Stimme meiner Kindheit!‘ (lacht) Ich werde wohl langsam alt…“

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Fußball-Comedy-Tour auch im Revier

Im Januar geht Sven Pistor wieder mit seiner Stand Up-Fußballcomedy-Tour „Alles Vollpfosten“ auf Tour. Gemeinsam mit den ehemaligen FIFA-Schiedsrichter Thorsten Kinhöfer und Jürgen Jansen berichtet er von verrückten Fans und blöden Toren.

Auch im Revier macht er Halt, unter anderem am 16. Januar in der Weststadthalle in Essen, am 13. Februar im Hans-Sachs-Haus in Gelsenkirchen und am 21. März im Fritz-Henßler-Haus in Dortmund.