Die Kommunen in NRW haben über Jahre zu viel Geld für Abwassergebühren eingezogen. Ein Mann aus Oer-Erkenschwick hatte geklagt – und Recht bekommen.
Und er wird nicht der Einzige sein. Im Grunde genommen sind mit dem Rechtsurteil alle Bescheide für 2022 rechtswidrig. Doch was bedeutet das für die Verbraucher in NRW?
NRW: Abwasser-Urteil schlägt hohe Wellen
Das Oberverwaltungsgericht (OVG) ging den Vorwürfen des Mannes aus Oer-Erkenschwick nach – und tatsächlich: Die Gebühren waren insgesamt um rund 18 Prozent überhöht. Bei 599 Euro Gebühren, die der Kläger bezahlen musste, wären das immerhin 120 Euro zu viel gezahlt. Die besagte Stadt hatte den Fehler gemacht, dass sie bei der Abschreibung der Entwässerungsanlagen immer den Neuwert für die Kalkulation hinzuzog. Zudem hatte sie zu hohe Zinsen berechnet.
Bislang folgte diese Vorgehensweise dem Kommunalabgabesetz, doch mit dem Urteil steht dieses nun auf der Kippe – mit Folgen auch für andere Kommunen. Das Urteil vom 17. Mai 2022 sorgt dementsprechend derzeit für viele Fragezeichen. „Seit dem OVG-Urteil haben wir pro Tag 30 bis 40 Anfragen aus den Kommunen. Der Beratungsbedarf ist enorm. Alle Kommunen sind in Unruhe, es müssen viele Berechnungen gemacht werden, das geht nicht von heute auf morgen“, sagte Peter Queitsch vom Städte- und Gemeindebund NRW.
NRW: Kommunen stehen vor Mammut-Aufgabe
Im Fall von Oer-Erkenschwick lag der Zinssatz bei 6,25 Prozent. Das OVG hält 2,5 Prozent für angemessen. Unter anderem, weil bei der Berechnung nicht ein Durchschnitt über die vergangenen 50 Jahre bei den Zinsen genommen werden darf, sondern nur rückblickend über zehn Jahre. Die Städte und Gemeinden schreiben ihre Kanäle üblicherweise über 50 Jahre ab. Bei der fiktiven Berechnung der Zinsen darf dieser Zeitraum aber laut Urteil keine Rolle spielen.
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Das ist das Bundesland Nordrhein-Westfalen (NRW):
- ist das bevölkerungsreichste Bundesland mit 17.947.221 Einwohnern (Stand: Dezember 2019)
- Landeshauptstadt Düsseldorf, größte Stadt Köln
- seit 1949 ein Bundesland der Bundesrepublik Deutschland
- Ministerpräsident ist Hendrik Wüst (CDU), Regierungsparteien sind CDU und FDP
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Zwar hat das OVG in einem Musterverfahren entschieden, dass nicht alle Kommunen das Urteil gleich treffe. Zinsen und Berechnungen können variieren. „Ein wichtiger Hinweis: Die Gebührenbescheide beruhen auf Prognosen der Kommunen. Nach dem Urteil müssen die Kommunen rückwirkend bei der Neukalkulation die tatsächlichen Kosten berücksichtigen. Das kann in Einzelfällen trotz der erfolgreichen Klage zu erhöhten Bescheiden führen“, erklärte Queitsch.
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Aufgabe der Kommunen sei es, zu prüfen, ob das Urteil auch auf sie zutreffe. Und im nächsten Schritt, wie die Kalkulation an die neuen Vorgaben des Gerichts angepasst werden könne. „Es wird noch viele Wochen brauchen, bis die Änderungen in der kommunalen Praxis umgesetzt sind“, sagte Christof Sommer, Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes in NRW der Deutschen Presse-Agentur.
NRW: Können Verbraucher auf Geldregen hoffen?
So kündigte die Stadt Bielefeld an, dass das Urteil auch für die Stadt in Ostwestfalen Folgen haben werde. „Aufgrund der geänderten Rechtsprechung werden trotzdem vorsorglich ab sofort alle entsprechenden Bescheide der Stadt Bielefeld hinsichtlich der Festsetzung dieser Gebühren mit dem Vorbehalt der Nachprüfung erlassen. Die Festsetzungen erfolgen damit sozusagen ‚auf Widerruf‘, und es ist sichergestellt, dass später durch neue Bescheide Korrekturen erfolgen werden“, teilte die Stadt mit.
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Der Bund der Steuerzahler in NRW, der die Klage im Fall Oer-Erkenschwick unterstützt hatte, erläuterte, welche Folgen das Urteil für Hausbesitzer und Mieter hat. Wer seinen Gebührenbescheid noch bekommt oder kürzlich erst bekommen hat, solle daher unbedingt Widerspruch einlegen und auf die Entscheidung des OVG verweisen. Denn auf der Grundlage des alten Gesetzes sei der Preis „rechtswidrig“.
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Viele Bürger hatten bereits Widerspruch eingereicht, wurden jedoch abgewiesen. Wer gegen die Ablehnung geklagt habe, könne jetzt auch die zu viel gezahlten Gebühren zurückverlangen, sagt Wilhelm Achelpöhler, Anwalt für Verwaltungsrecht. Bei bereits rechtskräftigen Gebührenbescheiden, gegen die bislang kein Widerspruch eingelegt wurde, rät der Steuerzahlerbund, dennoch einen Antrag auf Rücknahme zu stellen. (cg mit dpa)