Er selbst bezeichnet sich als „Hugo Boss der Nonnen“. Doch die Kleidung von Peter Mattis aus Herford darf eines auf keinen Fall sein: sexy. Denn seine Kundinnen sind Nonnen in mehr als 80 Klöstern. Die Vorlieben der Ordensschwestern kennt er ganz genau – bis hin zur richtigen Unterwäsche.
Herford.
Weit geschnittene Gewänder in gedeckten Farben, das wollen die Kundinnen von
Peter Mattis kaufen. Die Ärmel müssen lang sein und der Kragen möglichst hoch,
schließlich wollen die Frauen nicht mit einer schmalen Taille oder einer
ausladenden Oberweite auffallen. Die Kundinnen des Unternehmers aus Ostwestfalen
sind Nonnen. In vierter Generation kleidet der
55-Jährige Schwestern ein – vom Schlüpfer bis zum Wintermantel. Als „Hugo Boss
der Nonnen“ bezeichnet er sich scherzhaft.
„Die Nonnen brauchen zwei bis drei
Kleider für Werktage und eines für den Sonntag“, erzählt Mattis. Er nimmt ein
graues, glänzendes Kleid von der Kleiderstange. Vorne und hinten sind Falten,
mit einem eingenähten Band lässt sich das Kleid an der Hüfte enger schnüren.
„Das ist die Princessform“, sagt er. Grau, das sei die typische Farbe der
Arbeitskleidung von Franziskanerinnen. Vinzentinerinnen tragen stattdessen
gesetztes Blau. Am Sonntag, dem Tag des Herrn, ist dagegen Schwarz Pflicht.
Mattis pflegt einen engen Kontakt zu den Oberinnen
Der Verkauf läuft nur über persönlichen Kontakt in den Klöstern. Er
reist im Land umher und spricht mit den Oberinnen. Ein Verkauf über das Internet
wäre nicht möglich, sagt er. Es basiere viel auf dem Vertrauensverhältnis. „Sie
kennen mich, seit ich ein kleiner Junge bin“, beschreibt Mattis sein Verhältnis
zu den Nonnen. Der hochgewachsene, schlanke Mann
mit kurzen braunen Haaren schwärmt von seiner freundschaftlichen Beziehung zu
den Schwestern. „Ein paar Schwestern umarmen mich, wenn ich komme“, sagt er.
Gerne bleibt der gläubige Katholik und Familienvater länger für einen
Plausch über Gott und die Welt. Das Leben in einem Konvent kennt Mattis aus
eigener Erfahrung: Er verbrachte seine Schulzeit in einem Mönchskloster in
Fulda. Ambitionen, Priester zu werden oder in einen Orden einzutreten, habe er
aber nie gehabt, sagt er. Das sei nichts für ihn.
Unternehmen mit Tradition seit 1889
Sein Urgroßvater gründete die Firma Mattis Textil 1889, berichtet er.
Sie entwickelte sich von einem Leinenlieferanten für Krankenhäuser und Klöster
zu dem nach Angaben des Firmeneigentümers einzigen Unternehmen für
Ordensbekleidung im deutschsprachigen Raum. „Wir beliefern weit mehr als 80
Klöster,“ erzählt er.
Das Vertrauensverhältnis geht soweit, dass Mattis seit einigen Jahren
auch Unterwäsche verkauft. Zunächst eher widerwillig: „Ich hatte keine Lust, zu
den Nonnen zu gehen und ihnen Schlüpfer
anzubieten“, gibt er zu. Die Nachfrage sei aber da gewesen. „Die Nonnen sind nicht so, dass sie im Laden Unterwäsche
kaufen gehen.“ Drei Modelle führt er. Und was tragen die Nonnen unter dem Habit? „Das sind ganz normale
Schlüpfer, wie sie halt alte Damen tragen“, sagt er und faltet ein blütenweißes
Modell mit Beinen bis zum Knie und Bund bis über den Bauchnabel auseinander.
„Pagenslip“ heißt diese Variante.
Die Gewänder werden heute weiter geschnitten
Verführerisch soll und muss es nicht wirken. Mattis erinnert sich an
ein Fotoshooting in Ungarn mit einem Model in Ordensbekleidung. „Es war
schwierig mit dem Model“, meint er. Sie habe zu sexy geguckt und posiert.
Zu den Kunden von Mattis zählen die Armen-Schwestern vom heiligen
Franziskus in Aachen. Der Orden mit mehr als 250 Nonnen kauft seit 30 Jahren die Waren aus Westfalen,
erzählt die Wirtschafterin Schwester Maria Ursula, die für den Ankauf zuständig
ist. Die Entwicklung ihrer Ordenskleidung ist beispielhaft auch für andere
Klöster. „Wir waren früher ganz dick eingepackt“, erinnert sie sich. Vor mehr
als 20 Jahren sei das bodenlange Gewand streng in Kreuzform geschnitten und mit
einer Strickkordel tailliert worden.
Nun sind die Kleider drei Viertel lang und weiter geschnitten. Die
Haube wird auf dem Hinterkopf getragen und verdeckt nicht mehr die Ohren und
Haare. Mattis nimmt sich eine dunkle Stoffrolle in seinem Lager in Herford und
reibt den dünnen Stoff zwischen seinen Fingern. „Früher wogen die Kleider das
Doppelte“, berichtet er. Jetzt sei ein Habit, wie das Übergewand bei den
Schwestern heißt, etwa 1,3 bis 1,5 Kilogramm schwer. Das liegt am Material:
Während früher alles aus Wolle war, ist nun auch etwa die Hälfte aus Elasthan.
„Die Nonnen wollen leichte Stoffe, die man nicht
bügeln muss“, erklärt er die Änderungen.
Ein Überkleid kostet zwischen 100 und 150 Euro
Was die Nonnen drunter und drüber
tragen dürfen, ist von der Kirche vorgegeben. „Die Ordenskleidung zeigt, dass
man sich einer Gemeinschaft unterordnet“, berichtet die Kuratorin des
LWL-Museums für Klosterkultur, Helga Fabritius. Schon im vierten Jahrhundert
habe es solche Habite gegeben. Sie suggerierten auch eine gewisse Askese. „Diese
Tracht soll Bescheidenheit zeigen“, betont die Expertin. Diese Bescheidenheit
ist nicht ganz billig: Ein Überkleid kostet zwischen 100 und 150 Euro, dazu
kommen Unterrock und Schleier.
In Deutschland sind 84 Prozent der Nonnen älter als 65 Jahre. Das schlägt sich auch in den
Schnitten nieder. „Früher waren sie deutlich schmaler“, berichtet Mattis. Jetzt
fließe in die Schnitte auch jede altersbedingte Veränderung ein – ein krummer
Rücken, breitere Hüften oder kräftigere Arme. Für die Nonnen macht er auch gerne Maßanfertigungen. Einem
Wunsch aus Russland hat er aber widersprochen: Ein Kloster wollte Unterhosen aus
Rosshaar, „vermutlich als Buße“, schmunzelt er. (dapd)