Gut burgerlich – Warum Burger-Restaurants so im Trend sind
In der Gastronomie macht sich ein Trend zur Burgerlichkeit breit: Burger-Restaurants boomen, auch an Rhein und Ruhr. Was steckt dahinter?
Essen.
Ein Döner-Spieß zwischen zwei Brötchenhälften? Nicht ganz. Das Foto auf der Facebook-Seite von „Piwy’s Burger“ in Oberhausen zeigt einen Hamburger, genauer: Einen „BBQ Quadro Burger mit 720 Gramm Rindfleisch doppelt Cheddar und doppelt Bacon“. Das bizarre Gebilde, das da umrahmt von grob geschnitzen Pommes Frites Maßkrugmächtig auf einem Porzellan-Teller thront, kann man tatsächlich bestellen. Und es brüsten sich einige auf der Facebookseite, die es verspeist haben wollen. Wie auch immer: Burger sind ‚in‘.
Als unlängst in Düsseldorf ein neues Burger-Restaurant eröffnete, musste sogar die Polizei einschreiten. Und den Verkehr umleiten. Weil sich das Burger-Publikum bis auf die Straße staute. In Dortmund drängten im Spätsommer derart viele Gäste in den frisch eröffneten „Pottburger“-Imbiss, dass man noch Tage nach dem Start via Facebook mitteilte, „dem Ansturm einfach nicht gerecht werden“ zu können, und die Gäste auf die nächsten Wochen vertröstete.
Was ist das nur für ein Rummel, der sich um Fleischfladen dreht, die zwischen Brötchenschreiben stecken?
Der Bochumer Groß-Gastronom Christian Bickelbacher ist jüngst ebenfalls auf den Zug gesprungen. Burger serviert er in einem seiner Lokale zwar bereits seit 1998. Nun hat er ein zusätzliches Burger-Restaurant in der Bochumer City eröffnet. „Der Burger ist gesellschaftsfähig geworden“, sagt Bickelbacher, der an Burgern das Lustgefühl preist (vor allem, weil er Burger am liebsten mit den Händen verspeist).
Zudem: „Burger sind kein Fast Food mehr“, sagt Bickelbacher. Das zeigt sich auch beim Blick auf die Speisekarten der vielen jungen Burger-Läden. Sie heißen „Burgerado“, „Burgerinitiative“, „Grindhouse“ oder „Me(e)at“, bieten in der Regel Edel-Burger und werben zumeist mit Fleisch aus kontrollierter Aufzucht, oftmals „selbst bei uns gewolft“, Saucen aus eigener Herstellung, Salat „von Hofläden aus der Umgebung“ oder Brötchen, die nach eigenem Rezept von einem örtlichen Bäcker gebacken werden, sofern der Gast nicht sogar mehrere Brötchensorten wählen kann.
Burger-Restaurants funktionieren nur in Städten
Burger-Angebote reichen hinauf bis zum „U.S. Prime Beef“-Burger für 29 Euro in der „Sansibar“ im Düsseldorfer Edel-Kaufhaus Breuninger. Das ist dann was anderes, als etwa bei McDonald’s, wo gefrorene „Patties“ (Bratlinge) für einen Cheeseburger vorgeformte 45 Gramm wiegen, das „Bun“ (Brötchen) 51 Gramm, und wo auf einen Big Mac standardisiert zehn Milliliter Sauce, etwa 3,5 Gramm Zwiebeln und 12,5 Gramm Eisbergsalat liegen. Und eine Scheibe Cheddar-Käse.
Dennoch zählt man im Gastgewerbe die jetzt vielfach sprießenden Burger-Restaurants nach wie vor zur Kategorie „Imbiss“, aber solche „mit Wohlfühlcharakter“, sagt Bernd Luxenburger, Geschäftsführer beim Gastgewerbe Beratungs Service beim Deutschen Hotel- und Gaststättenverband Nordrhein. „Der Burger ist ein modernes Versorgungsprodukt“, sagt Luxenburger. Das jedoch nur in Städten funktionieren kann, wo Essen vielfach Zeichen eines Lifestyles ist .
Da sammelt dann etwa der Dortmunder „Pottburger“ in nicht mal vier Monaten nach Öffnung auf Facebook fast 10.000 Fans. Von denen meist Dutzende die jeweils jüngsten Burger-Kreationen kommentieren, zum Advent etwa den „Santa Schmaus“, mit Bratapfel, Rotkohl und Bratensauce. Währendessen präsentiert „What’s Beef“ in Düsseldorf sein „all day everyday“-Menu mit „Burger, Pommes und einer limitierten Flasche Bier“ aus der „Art Collection“ einer Sauerländer Pilsbrauerei.
Wo kommt der Boom her?
Essen unterliegt Moden und wird zum „Event“
„Essen unterliegt Moden. Das ist ein neues Phänomen“, erklärt der Kulturwissenschaftler Gunther Hirschfelder, der zur Esskultur forscht. Die „Hamburger-Kultur“ musste in Deutschland erst erlernt werden, schreibt Hirschfelder in seinem Buch „Europäische Esskultur“. Hierzulande eingeführt hatte den Burger demnach McDonald’s; im Dezember 1971 öffnete die US-Kette ihr erstes deutsches Schnellrestaurant. In den Anfangsjahren waren Burger bei uns ein Verlustgeschäft, sagt Hirschfelder: „Denn die Hamburgerkultur passte zunächst in kein vorhandenes Raster“.
Und heute? Mittlerweile sinken die Umsätze der beiden großen Burgerketten im Lande. Bei Luxus-Burgern hingegen wittert auch die Systemgastronomie Chancen. Die Kette „Hans im Glück“ will bis Ende dieses Jahres ihr bundesweit 30. Restaurant eröffnen und im kommenden Jahr noch weitere 20. „Es hat sich gezeigt, dass mit Burgern gerade ein völlig neues Gastronomiesegment entsteht“, sagt Geschäftsführer Oliver Merches. „Hans im Glück“ ist in NRW in Essen, Münster, Köln und Recklinghausen zu finden. Man führe bereits weitere Gespräche über mögliche neue Standorte im Ruhrgebiet, sagt Merches. Mit Nerd- oder Junk-Food hat das „Hans im Glück“-Konzept nichts zu tun. Man setzt darauf, dass sich die Kunden „etwas gönnen wollen“ und auf „bewusste Ernährung“ achteten. Daher seien sogar „brotlose Burger“ auf der Karte. Brotlos ist das Konzept wiederum nicht: Wer als Franchise-Partner von „Hans im Glück“ vom Burger-Boom profitieren will, muss 40.000 Euro „Einstiegsgebühr“ zahlen und mindestens 200.000 Euro Eigenkapital mitbringen.
Essen ist zum Event geworden und Ausdruck von Ideologie
Ob sich das rechnet? „Der Trend zur Flexibilisierung und Entgrenzung von festen Arbeitsorten und -zeiten“ führte zu einem „spezifischen urbanen Ernährungsstil, der mit Sushi, Warps und Ethno-Food vor allem neue mobile Verzehrsituationen außerhalb der alten Mahlzeitenordnungen brachte“. Die gemeinsame Mahlzeit zuhause im Kreise der Familie ist eine Randerscheinung geworden, sagt der Esskultur-Experte Gunther Hirschfelder. An die Stelle sei eine „außeralltägliche Erlebnisküche“ gerückt, wie Sonntagsbrunch im Frühstückscafé oder das Essen im Szenelokal. Essen ist zum Event geworden.
Hirschfelder wertet den Boom der Burgerbrater als einen Gegentrend, etwa zu Vegetarismus und Veganismus. Ohnehin sei Essen heute „mehr Ideologie denn Genuss“, meint er: „An der Frage der richtigen Ernährung scheiden sich die Geister inzwischen so stark, wie noch im 20. Jahrhundert an den Gegensatzpaaren rechts oder links“. Im Burger stecken für Hirschfelder zwei Bekenntnisse: „Das zu Fleisch und eine neoliberale Komponente, durch die Affinität zu den USA“.
Und wie sieht es kulinarisch aus?
Burger sind „eine ideale Stylingvorlage“
„Burger sind eine ideale Stylingvorlage für eine große Vielfalt an Gerichten“. Das Essener Burger-Restaurant Tofino etwa kreiert stets einen „Burger des Monats“; im Dezember war das ein „Weihnachts-Burger“, mit Rotkohl und Klößen. Im Duisburger „Einfach Grill“ wird auch ein „Gänse-Burger“, mit Bratapfel, Maronenpüree und Preiselbeeren serviert. Big Mac? Big Goose!
„Burger individuell zuzubereiten ist sehr aufwändig und verlangt qualifiziertes Personal“, sagt Herwig Niggemann, dessen Unternehmen die gehobene Gastronomie an Rhein und Ruhr mit Lebensmitteln versorgt. „Ein Burger ist nur echt gut, wenn er auf den Punkt gebraten ist“, sagt Niggemann: „Das muss man erstmal beherrschen“. Auch die Behörden sind bei Burgern sehr streng: Hackfleisch ist besonders anfällig für Keime. „Hygiene-Anforderungen sind hoch“, heißt es dazu in der Behörde für Lebensmittelaufsicht in Essen.
Burger vegetarisch, vegan oder „halal“
Doch es findet sich längst nicht nur Fleisch zwischen den Brötchen, auch Vegetarisches und Veganes. Mittlerweile gibt es Burger gar „halal“; eine skurril klingende Melange aus US-Kultur und Speisevorschriften des Islam.
Wie lange hält der Trend an?
„Irgendwann ist der Markt gesättigt“, sagt Gastroberater Bernd Luxenburger. Die Produktlebenszyklen in der Gastronomie seien kurz, sie lägen bei Restaurants, die mit der Mode gingen, zwischen fünf und zehn Jahren. Je mehr andere gastronomische Angebote Burger auf die Karte bringen, desto wahrscheinlicher sei, dass Burgerläden sich mit der Zeit überlebten“. Und nicht wenige alt eingesessene Lokale an Rhein und Ruhr hätten mittlerweile auch Burger auf der Karte.
Rindfleisch, Milchbrötchen und auf keinen Fall gesund – der ‚ideale‘ Burger
Unterdessen frönt eine große Gourmet-Gemeinde der Burger-Kultur. Dreifachfleisch.de etwa ist nach eigenen Angaben größter Burger-Tester-Blog hierzulande. Initiator Jan Gorbauch in Wiesbaden hat vor, demnächst mal „den Westen“ zu bereisen; in Düsseldorf und Köln hat er bereits die Burger-Szene erkundet, wie er überhaupt in den vergangenen vier Jahren schon mindestens 100 Burger-Restaurants in Deutschland getestet hat. An Rhein und Ruhr dürfte es mittlerweile gut zwei Dutzend Burgerläden geben. In Berlin dagegen bereits an die 70, schätzt Gorbauch. NRW hinke dem Trend noch hinterher. h
Den Burger-Erfinder? Kennt man nicht
Der Burger ist eine nationale Mahlzeit-Ikone der USA, doch ob er dort auch ‚erfunden‘ wurde, darum ranken sich viele Legenden. „Etliche Menschen und Staaten behaupten, ihnen verdanke die Welt den Burger“, sagt ein Sprecher der Fastfood-Kette McDonald’s. Die jedenfalls hat den Burger erstmals in Deutschland eingeführt – am 4. Dezember 1971. Aber die Geburtsstunde? Die kann keiner so recht datierten.
Da wäre die Legende vom 15-jährigen Charlie Nagreen im US-Staat Wisconsin, der 1885 auf einem Jahrmarkt gebratene Frikadellen erstmals zwischen zwei Sandwiches gedrückt, verkauft haben soll, weil seine Kunden sich darüber beschwert hatten, dass der Fleischsaft triefte. Oder die Brüder Frank und Robert Menches in Ohio, in deren Imbissstand auf einem Bauernmarkt 1885 die Würstchen ausgingen; statt dessen sollen sie kurzerhand Sandwiches mit gebratenem Hackfleisch kreiert und das ganze nach dem Ort benannt haben, wo sie waren: in Hamburg, US-Staat New York.
Dessen Ursprung wiederum datieren Historiker auf das 14. oder 15. Jahrhundert zurück: im Baltikum und in Finnland sei Tartar damals sehr verbreitet gewesen – rohes Gehacktes. Händler verbreiten die Speise bis nach Hamburg. Dort aber briet man dieses Hackfleisch lieber, und schuf die Frikadelle. Dieses „Hamburger Rundstück“ wiederum brachten dann deutsche Auswanderer in die USA. Von wo aus der „Hamburger“ seinen Weg in die Welt machte. (dae/WE)
Der ideale Burger muss nach Gorbauchs Vorstellung „authentisch“ sein und „eine Einheit sein“ darstellen. Das Fleisch sollte, ungewürzt, alleine durch seinen Geschmack bestechen, es sollte allenfalls etwas gesalzen sein und „auf jeden Fall vom Rind“ stammen, mit 80 Prozent Fleisch- und 20 Prozent Fettanteil, meint Gorbauch. Burger-Brötchen sollten der Art eines Brioche entsprechen, also ein weiches Milchbrötchen sein, dass die Fleischsaft gut aufnimmt. Gefrorene Pattys sind für Burger-Gourmets wie Gorbauch Tabu; Schlangengurken und Tomaten hätten ebenfalls nichts auf einem Burger verloren: „Die schmecken sowieso nach nichts“.
Aus Sicht der Dreifachfleisch-Tester muss sich die „Burger-Kultur“ indes noch entwickeln. Die Qualität, die man hierzulande so serviert bekommen habe, sei zwar besser geworden. Dennoch kommt Gorbauch zu dem Urteil: „Wir haben in Deutschland noch keinen wirklich perfekten Burger entdeckt“. Seine geschmacklichen Spitzenreiter hat er in London aufgetan. „Besser sogar als in den USA“, meint der 30-Jährige.
Der Riesen-Burger aus Oberhausen würde jedenfalls Gorbauchs Geschmack nicht treffen. Obwohl er einem Leitsatz Gorbauchs entspricht: „Ein Burger hat nicht gesund zu sein“.