Mit seiner Forderung, auf Martinsfeste in Kitas zu verzichten, bringt der Chef der NRW-Linken, Rüdiger Sagel, Christen, Muslime und sogar Parteifreunde gegen sich auf. Sagel meint, der Heilige Mann habe in Kindergärten nichts verloren. Nun bricht ein Sturm der Entrüstung über den Politiker herein.
Düsseldorf.
Eigentlich könnte die Figur des Sankt Martin Symbolfigur der Linkspartei sein: Teilen, sich solidarisch mit dem Armen zeigen – der Heilige Martin müsste aus Linken-Sicht politisch „voll korrekt“ sein. Ist er aber nicht, sagte Rüdiger Sagel, Chef der NRW-Linken, der Rheinischen Post. Kitas sollten gar kein Sankt-Martin-Fest feiern.
Dafür schlägt Sagel heftige Kritik entgegen, sogar aus der eigenen Partei. Für die Bochumer Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen (Linke) ist Sankt Martin eine „soziale Leitfigur“, die gerade für Kinder wichtig sei. Über die Landesgeschäftsstelle der Linken brach am Dienstag ein wahrer Sturm der Entrüstung herein.
Die Parteispitze reagierte noch am Abend. Geschäftsführer Sascha Wagner übte zwar grundsätzlich Kritik an einer „christlichen Dominanz“ in der Öffentlichkeit. Dennoch nahm er das Martinsfest in Schutz: „ich bin Atheist und zugleich ein Fan von Sankt Martin.“
Was Sagel an dem alten Brauch stört? Die Botschaft des Sankt Martin – der seinen Mantel für einen Bettler teilt – sei zwar „überkonfessionell“. Allerdings sei Sankt Martin selbst „ein katholischer Heiliger“, noch dazu einer mit „militaristischem Hintergrund“.
Die Linke plädiere für die strikte Trennung von Kirche und Staat. Deshalb habe ein derartiges „konfessionelles Fest“ in staatlichen Kitas heutzutage nichts mehr verloren. Außerdem, so Sagel, könnten sich muslimische Kindergartenkinder durch die Martinsfeier diskriminiert fühlten.
Politische Korrektheit – auf die Spitze getrieben
Sevim Dagdelen hat dafür deutliche Worte übrig: „Ich finde diese zwanghafte politische Correctness traurig“, sagte die Linken-Politkerin dieser Zeitung. Sie würde sich „stattdessen mehr Engagement für die Rechte von Beschäftigten im kirchlichen Bereich wünschen“.
Erwin Tälkers, Sprecher der Arbeiterwohlfahrt (Awo) Ostwestfalen-Lippe, kann die Argumente von Sagel ebenfalls nicht nachvollziehen. Bei dem Kita-Träger werden religiöse Feste grundsätzlich groß geschrieben – allerdings gelte das auch für die muslimischen Feiern. „So wie christliche Kinder sich gerne beim Zuckerfest mit Süßigkeiten beschenken lassen, so mögen auch muslimische Kinder mit ihren Eltern das Laternenfest“, sagt Tälkers. Die religiösen Themen seien Bestandteil der Pädagogik.
Auch bei den Muslimen selbst hat Sagel keinen Rückhalt. „Ich habe gerne mit meiner Mutter in der Grundschulzeit mitgemacht. Viele muslimische Familien nehmen das gerne auf, und dieser Laternen- und Fackelzug ist für Kinder und Erwachsene natürlich auch ein Spektakel“, sagt der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman A. Mazyek. Obendrein spiele „der Gedanke des Teilens auch im Islam eine große Rolle“.
So wenig Rückhalt Sagel mit seiner Meinung über Sankt Martin hat – so groß ist die Empörung, die ihm entgegenschlägt. Der Linke berichtet von „übelsten Beschimpfungen“ per Mail und Handy. Ein Gespräch mit diesen Leuten sei gar nicht möglich, sagt er: „Die brüllen mich am Telefon gleich an“.
Cemile Giousouf (CDU) findet: Religion gehört in die Kitas
Peter Wenzel, Chef des Kita-Zweckverbandes des Bistums Essen, hat Verständnis für die allgemeine Empörung. Den Verzicht auf religiöse Feste vorzuschreiben – das widerspreche dem Prinzip, wonach der freie Träger immer Vorrang habe vor staatlicher Ausrichtung.
„Wer das will, muss das Grundgesetz ändern“. Der Vertreter des katholischen Kita-Trägers ist der Meinung, auch muslimische Feste sollten gefeiert werden. „Doch wer das Zuckerfest will, darf St. Martin nicht verdammen“.
Die Hagener CDU-Bundestagsabgeordnete Cemile Giousouf reagiert mit Empörung auf den Vorschlag des Linke-Chefs Sagel: „Als Muslimin und Christdemokratin empfinde ich den Vorstoß der SED-Nachfolgepartei als vordergründigen und überflüssigen Klamauk.
Hier wird versucht, unter dem Deckmantel der Kultursensibilität Religion aus dem öffentlichen Leben zu verdrängen. Kultursensibiliät bedeutet nicht, dass man seine eigenen religiösen Traditionen und Feste verleugnen muss. Zudem ist es in vielen Großstädten, in unserer vielfältiger werdenden Gesellschaft bereits gelebte Praxis, dass Kinder zusammen z. B. zu Sankt Martin Laternen basteln, das Lichterfest und das Ramadanfest feiern.“