Als die Mauer am 9. November 1989 fiel und Deutschland wieder eine Einheit wurde, war Sahra Wagenknecht 20 Jahre alt. Einige Monate zuvor war sie der DDR-Regierungspartei SED beigetreten. Deren Macht löste sich jedoch genauso auf wie die unüberwindlichen Grenzen – die Deutsche Demokratische Republik gab es nicht mehr.
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Wagenknecht war Bürgerin der Bundesrepublik geworden und darüber keineswegs erfreut. Diesem Unmut machte die junge Frau medienwirksam Luft. So sagte sie dem ZDF einmal: „Ich hätte tausendmal lieber mein Leben in der DDR verbracht als in dem Deutschland, in dem ich jetzt leben muss.“
Wagenknecht: „Ich hätte tausendmal lieber mein Leben in der DDR verbracht“
Äußerungen, die in einer Zeit, in der immer mehr ans Licht kam, was unter der SED-Führung und der Stasi passiert war, nicht besonders gut in der neu zusammengewachsenen Bundesrepublik ankamen. Wagenknecht erklärte ihre Trauer über die Auflösung ihres Staats 1996 in der ARD: „Ich denke, dass bestimmte Fragen vor allem im sozialen Bereich in der DDR tatsächlich menschlicher gelöst worden sind.“
„Beispielsweise dieses Gefühl sozialer Existenzangst, was heute eigentlich sehr viele Menschen täglich begleitet, das war etwas, was man nicht kannte, und ich denke auch, dass wir andere Umgangsformen, andere Wertesysteme schon hatten.“ Solidarität, gegenseitige Unterstützung hätten im Alltag der DDR eine andere Rolle gespielt, erklärte Wagenknecht. „Heute kämpft sich jeder mit seinen Ellenbogen durch, auf Kosten der anderen. Und muss es auch, weil dieses ganze System darauf angelegt ist.“
Zwei Jahre nach der Wende saß Wagenknecht im Parteivorstand der SED-Nachfolgerpartei PDS, danach vertrat sie die Linkspartei im Europaparlament. Sie hat vor kurzem ihre eigene Partei gegründet und nach sich selbst benannt: Das Bündnis Sahra Wagenknecht.
Zwischen Nostalgie und Kritik
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In einem Interview mit der „taz“ 2010 beschrieb sie ihre Verteidigungsversuche der DDR als Trotzreaktion auf die allgemeine Stimmung in Westdeutschland. Kritische Themen wie die Stasi habe sie einfach ausgeblendet, sagte sie. „Ich habe Anfang der Neunziger einfach bestimmte Sachen weggelassen.“ Sie habe nie gesagt: „Die Bespitzelung der Leute durch die Stasi war sinnvoll. Ich habe einfach nichts zur Stasi gesagt.“
2010 sah die BSW-Gründerin die DDR also in Teilen kritisch. 2015 bezeichnete sie die DDR im Deutschlandfunk dann als „unendlich weit hinter dem zurückgeblieben, was der Anspruch eines sozialistischen Landes sein sollte.“
2024, kurz vor den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen, nahm Wagenknecht dann die Endzeit der DDR als Vergleich für den, ihrer Meinung nach, maroden Zustand der Bundesrepublik. Der Ampel warf sie einen „Realitätsverlust“ vor, sprach von einem Déjà-vu zum Ende der DDR. „Man hat den Eindruck, die da oben, die packen es nicht mehr, sie lösen die Probleme nicht mehr. Sie haben kein Konzept, keine Vision, keinen Plan für die Zukunft mehr.“
Deutschland 2024 wie die DDR 1989?
Weitere Parallelen zwischen 2024 und 1989 seien „die politische Distanz und kulturelle Entfremdung zwischen Regierung und Bevölkerung“, erklärte Wagenknecht laut dpa.
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„Inkompetenz, übergriffige Politik und Realitätsferne erinnern viele Ostdeutsche an längst überwunden geglaubte Zeiten. Ob Außenpolitik, Migration oder Energiepolitik: Die Regierung scheint in einer komplett anderen Welt zu leben.“