Essen.
Sie waren über ein halbes Jahrhundert verheiratet, dann ging das Ehepaar von Brauchitsch, unterstützt von einer Schweizer Sterbehilfe-Organisation, in den gemeinsamen Tod. Warum taten sie das?
Warum suchten der ehemalige Manager und seine Frau den Freitod?
Tochter Bettina von Brauchitsch erklärt dem Nachrichtenmagazin Focus: „Mit fortschreitender Verschlechterung ihres gesundheitlichen Zustandes haben meine Eltern diesen Schritt getan. Aufgrund ihrer schweren Krankheit wären sie zu dem von ihnen gefassten Beschluss später nicht mehr in der Lage gewesen.“
Woran litt das Paar?
Helga von Brauchitsch (83) war an Parkinson erkrankt. Laut Tochter in fortgeschrittenem Stadium. Eberhard von Brauchitsch (83) litt unter einem Lungenemphysem, einer Überblähung der Lunge, wodurch die Versorgung des Körpers mit Sauerstoff erschwert wird. Es besteht das Gefühl zu ersticken.
Laut Medienberichten suchten die Eheleute die Hilfe der Schweizer Sterbehilfeorganisation Exit. Stimmt das?
Bernhard Sutter, Vize-Präsident von Exit, sagte dieser Zeitung, dass er das aus Datenschutzgründen nicht bestätigen, aber auch nicht dementieren könne. „Es gibt vier Sterbehilfe-Organisationen in der Schweiz. Wir dürfen nicht sagen, wer Mitglied ist und wer nicht.“
Was passiert bei der aktiven Sterbehilfe?
Sutter: „Der Patient bekommt das starke Schlaf- und Narkosemittel Natrium-Pentobarbitat. In maximal fünf Minuten ist er sanft eingeschlafen, in etwa 15 bis 20 Minuten tritt der Tod ein. Er spürt keine Schmerzen. Die meisten Menschen wollen zu Hause sterben. Es sieht dann meist so aus: Eine unserer Freitodbegleiterinnen sitzt neben dem Bett, ein Angehöriger auf dem Bett. Meistens finden noch Gespräche statt. Dann sagt der Patient, wann er das Mitteln einnehmen will.
Wann kann man Hilfe von Sterbehilfe-Organisationen wie Exit bekommen?
Man muss Mitglied sein. Eine Mitgliedschaft bei Exit kostet pro Jahr 35 Euro. Wer noch nicht drei Jahre lang Mitglied ist und aus dem Leben treten möchte, muss 699 Euro zahlen. Bedingung ist, dass man unheilbar krank ist.
In der Schweiz ist der assistierte Suizid erlaubt. Wie ist die Gesetzeslage in Deutschland?
„Strafrechtlich wird man nicht belangt, aber es können berufsrechtliche Sanktionen drohen“, so der Bochumer Palliativmediziner Dr. Matthias Thöns und ergänzt: „Zunächst versuchen wir aber, durch die Linderung von Leiden den Lebensmut zu stärken – zuallermeist klappt das auch.“
Welche berufsrechtlichen Sanktionen sind das?
Thöns: „Berufsverbot. Seinerzeit hatte dies alles ja Prof. Hackethal durchgeführt und sich dazu öffentlich bekannt. Das Strafverfahren gegen ihn wurde eingestellt, auch berufsrechtliche Sanktionen hat er nicht bekommen.“
Gibt es den Tatbestand der unterlassenen Hilfeleistung?
Thöns: „Ja, aber auch das wird juristisch heftig diskutiert. Es ist ja so, dass die Rechtsprechung den Suizid als Unfall sieht. Der anwesende Arzt nimmt die sogenannte Garantenstellung ein, ist also zur Hilfeleistung verpflichtet. Dies führt zur grotesken Situation, dass der Arzt zwar hilflos zusehen müsste, wenn der Patient einen Becher mit Zyankali trinken würde. Bei der alsbald einsetzenden Bewusstlosigkeit ist er dann aber zur Hilfeleistung verpflichtet und würde bei Unterlassen bestraft werden. Dies wurde vom Deutschen Juristentag zuletzt heftig kritisiert.
Darf ein Kranker in Deutschland sterben und auf Apparatemedizin verzichten?
Ja, der Bundesgerichtshof (BGH) stärkte im Juni dieses Jahres mit einem Urteil das Recht der Patienten auf Selbstbestimmung. Er hob die Verurteilung eines Fachanwalts für Medizinrecht auf, der den Angehörigen einer Schwerkranken empfohlen hatte, die Sonde zur künstlichen Ernährung zu ziehe.