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Gaddafi zerreißt in Wut-Rede die UN-Charta

Gaddafi zerreißt in Wut-Rede die UN-Charta

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Foto: AP

New York. Der libysche Staatschef Muammar al Gaddafi hat mit seinem ersten Auftritt bei den Vereinten Nationen für einen Eklat gesorgt. In einer deutlich zu langen und offenbar wütenden Rede beschimpfte er die Organe der Weltorganisation und zerriss einen Teil der UN-Charta.

Libyens Staatschef Muammar el Gaddafi hat bei der UN-Vollversammlung in New York 7,77 Billionen Dollar (rund 5,26 Billionen Euro) für Afrika als Entschädigung für die Kolonialzeit gefordert. Wenn die westlichen Länder nicht zahlten, würden sich die Afrikaner das Geld zurückholen, sagte Gaddafi am Mittwoch. Er spreche «im Namen von 1000 afrikanischen Königreichen», erklärte der libysche Revolutionsführer, dessen Rede für einen Eklat sorgte.

UN-Sicherheitsrat ist „Terrorrat“

Etliche Delegierte verließen den Plenarsaal, als Gaddafi, der seinem Vorredner US-Präsident Barack Obama noch applaudiert hatte, sogleich zum Rundumschlag ausholte. Den UN-Sicherheitsrat bezeichnete er als einen «Terrorrat». Den fünf Vetomächten USA, Russland, China, Frankreich und Großbritannien warf Gaddafi vor, die kleineren Staaten als Länder zweiter Klasse zu behandeln. Er forderte die Abschaffung des Vetorechts der fünf ständigen Sicherheitsratsmitglieder. Außerdem sprach er sich für eine Aufnahme weiterer Mitgliedstaaten in den Weltsicherheitsrat aus, um das höchste Entscheidungsgremium der UN den veränderten Machtverhältnissen in der Welt anzupassen.

Nach der Rede von US-Präsident Barack Obama trat Gaddafi mit seinem braunen Beduinenumhang und einer übergroßen Afrika-Brosche am Revers an das Rednerpult. Als «König der Könige» kündigte ihn der Präsident der UN-Vollversammlung an, Ali Treki, der auch Libyer ist. Den Platz wollte sich Gaddafi offenbar nicht mehr nehmen lassen: Anstatt der für ein Staatsoberhaupt üblichen 15 Minuten sprach er am Mittwoch bei der Eröffnung der UN-Vollversammlung in New York eine Stunde und 36 Minuten. Damit wirbelte er nicht nur den Zeitplan für die nach ihm folgenden Redner gehörig durcheinander, sondern er schaffte es auch, den Plenarsaal sukzessive zu leeren.

Forderungen an alle – außer Italien

Gaddafi sagte ausdrücklich, dass sich seine Billionen-Forderung nicht an die frühere libysche Kolonialmacht Italien richte. Italien hatte 2008 ein Freundschaftsabkommen mit Libyen unterzeichnet und dem nordafrikanischen Land rund 3,4 Milliarden Euro in Form von Projektinvestitionen zugesagt.

An einem Punkt seiner Rede riss Gaddafi eine Kopie der UN-Charta ein. Dies veranlasste den später auftretenden britischen Premierminister Gordon Brown zu Beginn seiner Ansprache zu der Bemerkung: «Ich stehe hier, um die UN-Charta zu verteidigen und nicht zu zerreißen.»

Lob für Obama

Für seinen Vorredner war Libyens Staatschef indes voll des Lobes. «Wir wären glücklich, wenn Obama für immer Präsident von Amerika bleiben könnte», sagte Gaddafi, der selbst seit 40 Jahren im Amt ist. «Sie sind der Beginn eines Wandels», lobte Gaddafi, der seine Redezeit von 15 Minuten weit überzog und mehr als anderthalb Stunden lang sprach. Obama hatte 40 Minuten geredet.

Das Plenum der Vollversammlung hatte sich bei Gaddafis Rede etwa zur Hälfte geleert. Auch US-Außenministerin Hillary Clinton und die amerikanische UN-Botschafterin Susan Rice verließen den Saal. (ap/afp)